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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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wiederholt, immer kam eine
fünfzigprozentige Deckung heraus. Und dieses Ergebnis ließ nur einen einzigen
Schluss zu. Natürlich habe ich lang darüber nachgegrübelt, habe mir Papa genau
angesehen und auch Vera und Leo. Dann habe ich über dich nachgedacht, und dabei
ist mir einiges klar geworden. Nach meinem Examen – cum laude, wie du
weißt – habe ich das Testergebnis dem Professor gezeigt. Seitdem hegen wir
ein recht freundschaftliches Verhältnis.«
    »Weiß Leo …?«, schnaufte Fanni.
    »Ich hab es ihm erzählt«, gestand Leni. »Er war nicht einmal
besonders überrascht. Leo ist schon immer gut darin gewesen, eins und eins
zusammenzuzählen. Wir haben beschlossen, alles für uns zu behalten. Wozu Vera
durcheinanderbringen oder Papa schockieren?«
    Sie schenkte ihrer Mutter Rotwein nach, und Fanni trank.
    »Eigentlich wollten wir auch dir nichts verraten«, fuhr Leni fort.
»Aber nachdem es einmal heraus war, ist mir klar geworden, wie sehr dich das
Geheimnis belasten muss. Du sollst wissen, dass Leo und ich über die Lösung,
die du für uns gefunden hast, sehr glücklich sind. Wir hatten beide eine schöne
Kindheit. Hans Rot war kein schlechter Papa. Wir haben ihn immer respektiert.«
    »Was man von seiner eigenen Tochter nicht behaupten kann«, warf
Fanni ein. Sie fühlte sich auf einmal beflügelt. Das musste am Rotwein liegen.
Fanni nahm noch einen großen Schluck, und dann wagte sie zu fragen: »Hat sich
Professor Heimeran an mich erinnert?«
    Leni musste lachen. »Er hat mir erzählt, dass ihn während seiner
Laufbahn schier jede Studentin angehimmelt hat. Und er hat mir gestanden, dass
er in den Siebzigern heißblütig genug war, hin und wieder schwach zu werden.
Aber er hatte keine Ahnung, dass eine seiner Freundinnen schwanger geworden
war, sogar mit Zwillingen, zweieiigen, der Genauigkeit halber.«
    Natürlich nicht, dachte Fanni, woher auch?
    »Hast du es ihm nicht gesagt?«, fragte Leni.
    »Wozu?«, antwortete Fanni. »Er war damals schon ein anerkannter
Wissenschaftler, und verheiratet war er auch. Er hätte nirgends Platz für mich
gehabt und für euch schon gar nicht. Ich hatte Angst, der Herr Professor würde
mich nach Holland oder nach Tschechien verfrachten, wo man damals abtreiben
lassen konnte. Da habe ich mich lieber dazu durchgerungen, dem Drängen von Hans
Rot nachzugeben. Der hing wie eine Klette an mir dran, und meine Mutter hat mir
jahrelang zugesetzt. ›Du solltest ihn mit Handkuss nehmen, Fanni, er ist so
bodenständig, so solide.‹«
    Es war so, als ob sich Fannis Mutter und das Schicksal
verbündet hätten, Fanni und Hans Rot ein Leben lang zusammenzuspannen. Die
Familie Rot und Fannis Eltern hatten quasi Haustür an Haustür gewohnt. Hans Rot
spielte mit Fanni, seit sie angefangen hatte zu laufen. Nachdem Fanni ein Jahr
nach Hans eingeschult worden war, machten sie sich jeden Morgen gemeinsam auf
den Weg. Ihr Pausenbrot verzehrte Fanni immer in Gesellschaft von Hans Rot. Und
dann trat Fanni ins Gymnasium über, Hans in die Realschule. Vormittags trennten
sich nun ihre Wege. Aber mittags wartete er an der Bushaltestelle auf sie.
Selbst als Fanni nach dem Abitur mit dem Studium in Nürnberg begann, änderte
sich wenig. Fannis Mutter bedrängte ihre Tochter, an den Wochenenden nach Hause
zu fahren, und da wartete Hans Rot. Er wartete auch an jenem Freitag, als Fanni
aus dem Bus stieg und wusste, dass ihre Karriere gelaufen war.
    »Ja«, sprach Fanni weiter, »ich hatte damals Beständigkeit dringend
nötig, also griff ich zu. Von dem Augenblick an ist alles wie am Schnürchen
gelaufen, das muss ich wirklich sagen.«
    Leni stand auf, ging um den Tisch herum zu Fanni, setzte sich auf
die Armlehne ihres Sessels und nahm sie in die Arme. »Du bist tapfer, klug und
liebenswert«, flüsterte sie.
    Fanni biss die Zähne zusammen, um nicht loszuheulen. »Wir sollten
ins Bett gehen«, meinte sie gepresst.
    Hans Rot hatte die Nachbarn zum Frühstück eingeladen.
Fanni briet Eier und Speck, röstete Brot, schnitzelte Obst und schnitt den Kuchen
auf, den sie von zu Hause mitgebracht hatte. Die Gäste blieben bis zum
Nachmittag sitzen. Gegen drei Uhr kamen Vera und ihr Mann aus Freiburg zurück
und gesellten sich dazu.
    Fanni machte das Gepäck für die Rückreise nach Erlenweiler fertig.
Es ging auf vier Uhr zu, als Thomas in die Zufahrt bog. Fanni sah ihn
aussteigen und bemerkte, wie er übers ganze Gesicht strahlte. Er freut sich auf
Leni, schoss es ihr durch den Kopf. Im selben

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