Saure Milch (German Edition)
dass Fanni Rot und Johann Sprudel nicht an die Schuld des alten
Klein glaubten und anfingen zu schnüffeln?
Hm, der erste Anschlag …
Anschlag, hört, hört!
… geschah am Montag nach dem Straßenfest. Am Freitag davor
hatte ich mich mit Sprudel in dem Waldstück bei Niederalteich getroffen. Alle
haben gesehen, wie ich den Erlenweiler Ring hinuntergefahren bin. Aber keiner
konnte doch wissen, wohin ich wollte.
Eben.
Fanni ließ die Fahrt Revue passieren. Bei der Hinfahrt hatte der
Verkehr wenig Aufmerksamkeit verlangt. Aber auf der Rückfahrt war sie ins
Schwitzen geraten. Da war dieser Sattelschlepper an der Friedenseiche gewesen,
der ihr die Vorfahrt genommen hatte. Und in Seebach? Hatte sie nicht in Seebach
etwas Irritierendes wahrgenommen?
Das Storchennest auf dem Fabrikkamin.
Storch? Ja, ein Storch aus Pappmachee stand an einer Straßenecke. Er
hielt ein rosa Strampelhöschen im Schnabel und ein Schild mit der Aufschrift:
»… Vater geworden und gibt zur Feier des Tages einen aus!«
Fanni war im Schritttempo vorbeigefahren, weil der Straßenrand
bereits mit Autos zugeparkt gewesen war.
Und dasjenige, das in dem Moment dort angehalten hatte, gehörte
Meiser, überkam es Fanni plötzlich.
Quatsch, du kannst einen Ferrari nicht von einem VW unterscheiden.
Das muss ich auch nicht, um Meisers Auto zu identifizieren, weil
kein anderer Wagen im ganzen Landkreis glänzt wie eine Christbaumkugel und auf
dem Nummernschild » ME 1000« stehen hat.
Na und, dann war Meiser halt zu einem Umtrunk
eingeladen und hat dich vorbeifahren sehen. Was sollte er daraus schon
schließen?
Alles, weil Sprudel direkt hinter mir fuhr!
2.
Kaum hatte Thomas den Wagen abgestellt, stürmte Vera mit
einer Reisetasche in der Hand aus dem Haus, dicht gefolgt von ihrem Mann.
»Hallo, allerseits!«, rief sie. »Wir haben schon auf euch gewartet.
Minna und Max spielen im Sandkasten. Sie wünschen sich Pfannkuchen mit
Kirschkompott zu Mittag, und ich hab ihnen versprochen, dass du welche machst,
Mama. Nimm aber Mineralwasser für den Teig, Milch dürfen sie noch nicht.
Tschühüss, bis morgen am Nachmittag.«
»Weg«, murmelte Hans Rot entgeistert und sah dem entschwindenden
Wagen seines Schwiegersohnes nach.
Thomas half ihnen, Koffer, Kühltasche und diverse Klappkisten ins
Haus zu bringen. Dann machte er sich auf den Weg nach Worms.
Fanni putzte, bügelte und werkelte bis zum Abend. Gegen neun badete
sie gemeinsam mit ihrer Tochter, Max und Minna. Während Fanni das Badezimmer
wieder trocken wischte, steckte Leni beide Kinder ins Bett und las ihnen aus
»König der Löwen« vor. Nach zehn Minuten waren die zwei eingeschlafen.
Fanni ging nach draußen, deckte den Sandkasten ab, weil Gewitter
angekündigt waren, und stellte Bagger, Raupe, Laster und Kuchenformen unters
Vordach. Sie wollte gerade den verstreuten Sand vom Gehweg fegen, da rief Leni:
»Schluss für heute!« Sie rückte auf der Terrasse zwei Stühle zurecht
und schenkte zwei Gläser Rotwein ein.
»Wo ist denn Papa?«, fragte Fanni.
»Auf ein Bier bei den Nachbarn«, antwortete Leni.
»Veras Nachbarn?«, stammelte Fanni verwirrt, und Leni lachte sie
aus.
»Papa braucht halt Zerstreuung«, sagte Leni nach einer Weile. »Er
und der Nachbar haben sich heute Nachmittag beim Rasenmähen angefreundet und
ein paar Kölsch zusammen getrunken. Die meisten Leute sind eben so.«
»Vera auch, aber du und Leo nicht«, meinte Fanni unbesonnen.
»Ich weiß«, sagte Leni trocken.
Fanni wurde rot. Sie trank ihr Glas aus und dachte dabei: Ich hätte
es ihnen längst sagen müssen. Ich bin die Einzige, die in dieser Familie lügt!
Fanni, die Heuchlerin!
»Du musst dir keine Vorwürfe machen, Mama«, sagte Leni da auf
einmal. »Für uns Kinder war es am besten so, und Hans Rot hat es auch nicht geschadet.«
»Was?«, japste Fanni.
»Mama«, lächelte Leni, »hast du vergessen, dass ich mit der DNS und den Informationen, die sie zu bieten hat, auf
sehr gutem Fuß stehe?«
Fanni schüttelte den Kopf. Sie dachte einen Augenblick nach,
schüttelte noch mal den Kopf und fragte: »Aber wieso?«
»Zufall natürlich«, antwortete Leni, »wenn auch kein besonderer.
Während meines Praktikums hab ich dauernd mit der DNS herumexperimentiert. Ich hab Tausende von Abgleichen gemacht. Und eines Tages
ist mir eine sehr seltsame Übereinstimmung aufgefallen. Ich hatte gerade die DNS von Professor Heimeran mit meiner verglichen.«
Fanni stöhnte.
»Ich hab den Test daraufhin mehrmals
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