Saure Milch (German Edition)
Fanni.
»Ganz bestimmt«, antwortete Sprudel.
Fanni stieg ein, startete, und die Wagentür schlug zu.
6.
Zu Hause angekommen, streckte Fanni dem Türkranz die Zunge
heraus, während sie aufschloss. Das war dumm, kindisch und nutzlos. Was konnte
der Türkranz dafür, dass aus Miss Marple wieder eine langweilige Fanni Rot
geworden war? Aber Fanni machte das so, seit sie das Ding dorthin genagelt
hatte.
Drei Sekunden später war sie im Haus. Alles war still, es gab im
Moment nichts zu tun, und es gab auch nichts mehr, worüber es sich nachzudenken
gelohnt hätte.
Entschlossen stapfte Fanni an ihren Bücherregalen entlang. Sie
suchte populäre Kriminalromane heraus, alte und neue. Edgar Wallace, Georges
Simenon, Elizabeth George, was ihr gerade in die Hände fiel, Agatha Christie,
aber nur Hercule Poirot, Miss Marple ließ sie stehen. Sie griff sich zwei
Krimis von Mankell und einen von Minette Walters (Geburtstagsgeschenke von
Leni).
Der Bücherturm, den Fanni aufstapelte, hatte gut seine neunzig
Zentimeter Höhe. Das sollte reichen für zwei, drei Wochen.
Am Abend rief sie Leni an und berichtete ihr, wie sich alles
aufgelöst hatte.
»Meiser kommt ins Kittchen!«, schrie Leni. »Da gehört er schon lange
hin. Jetzt siehst du mal, Mami, wie enorm wichtig die Arbeit der Mikrobiologen
ist«, prahlte sie.
Aber Fanni war nicht nach witzeln. »Ich frage mich«, meinte sie,
»was die Labortechniker aus einer DNS -Probe
alles erfahren. Welche Informationen entnehmen sie den DNS -Strängen?
Dokumentieren sie Vorlieben und Fehler, Abstammung und Erbkrankheiten? Listen
sie sämtliche physiologischen Merkmale auf? Legen sie Dateien an,
Konstruktionspläne, die Personen beschreiben wie Automodelle? Damit ließe sich
ganz schön Schindluder treiben.«
»Klar«, sagte Leni, nun selbst ernst. »Das könnte man alles machen.
Darf man aber nicht. Glücklicherweise ist es so, dass nicht alle Abschnitte der
Doppelhelix Informationen tragen. Zwischen den Informationsträgern liegen große
Stücke, die keinerlei Aussagen über die Merkmale einer Person enthalten. Nur
diese Abschnitte werden im Labor verwendet.«
Es entstand eine kleine Pause, dann fragte Leni kichernd: »Habt ihr
euren Erfolg schon gefeiert, du und Sprudel?«
Als sie davon hörte, dass Sprudel abgereist war und sich in Ligurien
ansiedeln wollte, sagte sie: »Vielleicht laufen wir ihm über den Weg, wenn du
zu Besuch bei mir bist. Ich möchte sowieso mit dir durch die Cinque Terre
wandern. Kommst du? Im Oktober?«
Fanni versprach es.
Zwei Wochen später jagte Fanni gerade gemeinsam mit
Inspektor Mason den Teufel von Tidal Basin, als es an der Tür klingelte. Es war
halb drei Uhr nachmittags. Seit dem frühen Morgen fiel Regen an diesem
Augusttag.
Fanni öffnete und sah sich vis-à-vis von Bene und dem alten Klein.
Bene trug einen Weidenkorb, und was sein Vater in der Hand hatte, war
zweifellos ein Blumenstrauß, umwickelt mit dem gelb-weiß gemusterten Papier der
Gärtnerei links an der Hauptstraße. Fanni starrte die beiden an.
»Wir«, stammelte Bene, »wir kommen zum Dankesagen.«
»Hinter Gittern wär ich«, fügte Klein hinzu, »wenn Sie nicht gewesen
wären, Frau Rot. Und den Bene, den hätten der Meiser und seine pampige Nichte
ganz schnell zu den Verrückten sperren lassen, wenn Sie nicht gewesen wären,
Frau Rot.«
Fanni bat die beiden ins Esszimmer, rückte ihnen Stühle zurecht und
schaltete die Kaffeemaschine ein. Sie wickelte die Blumen aus – gelbe
Rosen waren es – und stellte sie in eine Vase. Bene beschrieb ihr die
Präsente im Korb, als würde er ein Gedicht aufsagen. Hier ein Dutzend Eier,
ganz frisch; ein Stück Geräuchertes, nicht zu schwarz und nicht zu trocken; ein
Rinderfilet, schön abgehangen, und für die Verdauung ein Fläschchen
Marillenbrand.
Fanni bedankte sich, holte den Kaffee und den Marmorkuchen, den sie
fürs Wochenende gebacken hatte, und drei Schnapsgläser.
»Wie geht’s euch denn so?«, fragte sie, als Bene und sein Vater ihre
Kuchenstücke mampften.
»Eine Frau fehlt halt auf dem Hof, eine Frau«, nuschelte der Alte.
Er spülte Kaffee durch die Zähne, gurgelte den Rest seines
Schnäpschens hinterher, und dann sah er Fanni listig an. »Hätten Sie nicht
Zeit, Frau Fanni?«
Fanni musste lachen. »Melken kann ich nicht, und mit Hühnern bin ich
auf Kriegsfuß, seit mir als Kind eine Henne in den kleinen Zeh gehackt hat.«
Der Alte verschluckte sich fast. »Frau Fanni, wir haben doch eine
Melkmaschine! In
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