saved by an Angel
sich auf Carolines Stühle zu setzen.
»Das Problem ist, dass wir weder wissen, was hier schon rausgeschleppt wurde, noch wissen wir wohin«, bemerkte Ivy. »Wenn wir wenigstens eine Ahnung hätten, wonach wir suchen.«
»Was ist mit Beth?«, fragte Tristan plötzlich. »Was ist, wenn wir sie um Hilfe bitten? Sie hat einen sechsten Sinn. Wenn du ihr den Schlüssel zeigst und sie ihn anfasst und darüber meditiert, kann sie uns vielleicht sagen, wo wir suchen müssen - vielleicht kann sie uns wenigstens einen Hinweis geben.«
»Gute Idee.« Ivy sah auf ihre Uhr. »Kannst du noch mitkommen?«
Tristan wusste, dass er es besser lassen sollte. Er war müde, und wenn er nicht wieder in der Dunkelheit versinken wollte, musste er seine Kräfte einteilen. Aber er wollte sich nicht von Ivy trennen. Etwas sagte ihm, dass ihm nicht mehr viel Zeit mit ihr blieb.
»Ich komme mit, aber ich schaue besser nur zu«, sagte er. Auf dem Weg zu Beths Haus schwieg er.
Mr Van Dyke schien daran gewöhnt zu sein, dass Ivy zu unerwarteten Zeiten auftauchte. Er stand in der Tür, sah sie über seine Brille und eine Revisionsbegründung hinweg an, dann brüllte er: »Beth!«, und überließ Ivy damit ihrem Schicksal.
Beths Anblick und ihr Zimmer überraschten Tristan, aber Ivy erklärte ihm lautlos: »Sie war gerade am Schreiben.«
Beth blinzelte Ivy an, als wäre sie Welten von ihr entfernt. Eine Mehrzweckklemme hielt ihre Haare in einem schiefen Pferdeschwanz zusammen. Ein alte Brille hing auf ihrer Nase; da ein Bügel fehlte, saß auch sie schief. Sie trug sackartige Jogginghosen und schmuddelige Hausschuhe mit Tierköpfen, auf denen Popcorn klebte.
Ivy zupfte Beth einen gelben Klebezettel vom T-Shirt. »Wunderschön, sehnsüchtig, zart, unaufrichtig, köstlich«, las sie, dann entschuldigte sie sich: »Tut mir wirklich leid, dass ich hier einfach so reinplatze.«
»Kein Problem«, erwiderte Beth fröhlich und griff nach dem Klebezettel. »Den hab ich schon gesucht - danke.«
»Wir brauchen deine Hilfe.«
»Wir? Oh.« Beth schloss schnell die Zimmertür und räumte eine Ecke auf dem Bett frei, indem sie Ordner und Notizbücher auf den Boden warf. Sie musterte Ivys Gesicht und lächelte. »Hallo, Kollege Licht«, begrüßte sie Tristan.
»Beth, erinnerst du dich an den Umschlag, den mir Erics Schwester gegeben hat?«, fragte Ivy.
Tristan sah, wie Beths Augen plötzlich aufleuchteten. Sie hatte beobachtet, wie Ivy den Umschlag auf dem Friedhof geöffnet hatte und war wahrscheinlich fast vor Neugier geplatzt.
»Der war darin.« Ivy zog den Schlüssel hervor und legte ihn Beth in die Hand.
»Sieht aus, als würde er zu einer Kiste gehören«, meinte Beth, »oder einer Schublade. Es könnte ein alter Türschlüssel sein, aber das glaube ich nicht - dafür ist er nicht lang genug.«
»Auf dem Umschlag standen Carolines Name und Adresse«, erzählte Ivy. »Also haben wir ihr Haus durchsucht, aber wir haben nichts gefunden, wo dieser Schlüssel hineinpasst. Kannst du dein Glück mal versuchen? Weißt du, ihn eine Weile behalten, darüber nachdenken und schauen, ob irgendwas dabei herauskommt?«
Tristan bemerkte, wie Beth zurückschreckte. »Ach, Ivy, ich -«
»Bitte.«
»Sie hat Angst«, sagte Tristan zu Ivy. »Du musst ihr helr fen. Ihre Vorhersagen haben ihr Angst gemacht.«
»Ich bitte dich nicht darum, etwas vorherzusagen«, fügte Ivy schnell hinzu. »Halt ihn einfach in der Hand, denk darüber nach und vielleicht fällt dir ja etwas ein. Egal, wie seltsam oder gewöhnlich es ist, es könnte uns einen Hinweis geben, wo wir suchen müssen.«
Beth sah auf den Schlüssel. »Hättest du mich doch bloß nicht gefragt, Ivy. Wenn ich so etwas mache, wirbelt es alle möglichen anderen Sachen in meinem Kopf auf, Sachen, die ich nicht verstehe und die mir Angst einjagen.« Sie drehte sich um und warf einen sehnsüchtigen Blick auf ihren Bildschirm, auf dem der Cursor blinkte und darauf wartete, dass sie zu ihrer Geschichte zurückkehrte. »Hättest du mich bloß nicht gefragt.«
»Okay, ich verstehe«, erwiderte Ivy und nahm den Schlüssel wieder an sich.
Beth hielt Ivys Hand fest. Tristan konnte fühlen, wie kalt und feucht sie war. »Lass ihn bis morgen bei mir«, sagte sie. »Ich geb ihn dir in der Schule zurück. Vielleicht fallt mir was ein.«
Ivy fiel ihrer Freundin um den Hals. »Danke. Vielen Dank. Ich hätte dich nicht darum gebeten, wenn es nicht wichtig wäre.«
Ein paar Minuten später machte sich Ivy auf den Heimweg.
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