Savinama - Der Wächter: Fantasy-Roman (German Edition)
nickte leicht und ging alleine den Weg, von dem sie geahnt hatte, dass er eines Tages auf sie zukommen würde. Bevorash trat aus dem Nebenraum und blickte ihr nach. Langsam kam er zur Wiege und holte das Mädchen heraus.
„Du hast eine starke Mutter“, sagte er leise.
Der Vigil stand am Rande des Hügels, auf dem sich das Haus befand. Seltsam, Ineana fiel als erstes die goldene Sonne hinter ihm auf, die aussah als würde sie ebenfalls Abschied nehmen. Fieberhaft überlegte sie, was sie sagen konnte, wollte den aufkommenden Schmerz überspielen.
Er stand so stolz vor ihr, wie sie ihn damals kennengelernt hatte. Sie musste unweigerlich an die Nacht zurückdenken, als er mit ihr auf dem Fest der Sonnenfeuer war. Sein weißer Mantel, mit den dezenten Stickereien, die Kapuze, die sein fast schon graues Haar bedeckten. Alles erinnerte an damals und alles, was sie sagen wollte, war mit einem Mal fort. Sie trat dicht vor ihn, stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte mit den Fingerspitzen sanft seine Lippen. Seine Hände griffen tief in ihr Haar, er ließ es durch seine Finger gleiten. Sein Atem strich ihre Wange entlang bis zu ihrem Hals.
„Danke“, flüsterte er und zog sie fest an sich.
Sie brachte kein Wort über die Lippen, ließ ihre Hände auf seinen Rücken gleiten und drückte ihre Wange fest an seine Brust. Wenn es die Ewigkeit gab, wünschte sich Ineana in dieser Sekunde ein Teil davon zu sein.
„Ineana?“, raunte er in ihr Ohr. Sie hob den Kopf, blickte noch einmal in diese unendlichen Augen und zog ihre Brauen hoch. Zögernd berührte sie seine Schläfe, sprach seinen Namen. Er umfasste ihre Finger.
„Ineana.“
„Aé?“ Zärtlich hauchte er einen Kuss auf ihre Fingerspitzen, schaute ihr fest in die Augen und ohne sie loszulassen ging er einen Schritt zurück. „Ein letztes Vertrauen wünscht sich meiner von euch.“
„Wenn nicht euch, wem dann, mein Ecares Vigil.“ Er legte die rechte Hand über ihre, wobei sie ein seltsames Prickeln empfand. „Euer Spiegel ist mehr.“ Ein helles Glühen entstand und langsam manifestierten sich die weißen Wirbel, bis Savinama den weißgoldenen Stab erfasste. Sie ließ seinen Blick nicht los und wie damals glaubte sie in ihm den Sonnenuntergang neu zu erleben. Das Licht der Sonne brach sich an den letzten Streifen des Horizonts. Die Priesterin empfand sich losgelöst von allem weltlichen und für Sekunden entstand das Gefühl zu fliegen. Sie hielt die Luft an, schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. Stimmen durchzogen ihren Geist, berührten ihr Sein, als er ein letztes Mal eine Verbindung mit ihr einging. Nicht mit dem Körper, mit dem Geiste.
„Ich liebe euch“, flüsterte sie und ließ sich endgültig fallen.
Ein Ort, inmitten der Grenzen der Welten.
Kein Vergangen, keine Zukunft, nur der Moment.
Ein Teil von jedem. Ein weißer Kreis, dessen äußere Seiten Schriften enthielten, scheinbar aus Asche geschrieben, und etwas weitergaben, was kaum einer kannte. Raum- und zeitlos.
Vier Wächter, einer für jede Himmelsrichtung, um den Ring gruppiert.
Und in ihrer Mitte jener eine, dessen Name für Anfang und Ende stand. In seinen Händen hielt er jene Waage, die das Leben sowie den Tod rufen konnte. Die Einheit der Ewigkeit.
„Nuavera.“ Mit diesen Worten erwachte die alte Magie zum Leben, vereinigte die Ströme der Welt.
„Nuavera, Sheraf!“ Die Wächter übertrugen die Seelen der Elemente auf den ersten Vigil, denn sie wussten, dass die Zeit gekommen war. Ein Brüllen ertönte und in einer scheinbaren Wand aus Nebel erschien ein schwarzer Drache. Der Tod! Stolz und majestätisch die Flügel halb ausgebreitet. Seine weißen, feurigen Augen, die mit gelben Strichen versehen waren wie kleine Blitze und sich nach hinten verloren, betrachteten die Wächter.
„Nuavera, Sherafee.“ Vor dem Drachen entstand ein Wirbel aus Licht, fast wie kleine Sterne und die Umgebung verlor sich in einem scheinbar schwarzen Meer, in dem man nicht erkennen konnte, ob man sich in ihm befand oder auf ihm. Die Zusammenkunft der Unendlichkeit.
Ein Fuß berührte die schwarze Fläche und fast schienen sich Wellen von ihm auszubreiten. Leise Stimmen erklangen und erzählten in abertausenden Sprachen, von nah und fern. Ein Wind, von dem man nicht wusste, woher er kam, spielte mit dem Licht, spielte mit weißen langen Haaren. Augen, unendlich weise, wissend und ohne Fragen, rot wie das Blut in den Adern der Menschen, betrachteten sanft den Vigil. Im Körper
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