Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
Zeit – ich erinnere mich nur noch an später, als es schon schlecht um sie stand.« Sie war an Krebs gestorben, als ich acht war, nachdem sie ein Jahr lang vergeblich gegen die Krankheit gekämpft hatte, und alles, woran ich mich klar und deutlich erinnerte, war eine schmerzlich dünne Frau, die mich beim Umarmen fast erdrückte. Zum Glück war ich damals schon alt genug gewesen, um ihre Beitragspflichten zu übernehmen, sodass wir nicht obdachlos wurden. Selbst mit der tödlichen Diagnose Krebs durfte sie keinen Arzt aufsuchen – der Seher hatte es nicht erlaubt. Er hatte mir damals gesagt, Ärzte würden meiner Mutter auch nicht mehr helfen können, wenn schon seine eigenen Heilkräfte den Tumor nicht hatten töten können. Zu jener Zeit glaubte ich ihm, aber heute, neun Jahre später, hatte ich da so meine Zweifel. Mir war es immer so vorgekommen, als hätten seine Heilungskräfte letztlich nur auf die Willenskraft gewirkt. Und meine Mutter hatte bewiesen, dass man entgegen seiner Behauptung nicht über sich hinauswachsen und die Schmerzen ignorieren konnte, wenn der Körper aufgab.
»So, das sollte genügen.« Tony stopfte die Verbandssachen wieder in seine Tasche. »Willst du mir erzählen, wie das passiert ist?«
Ich holte tief Luft und nickte. Ich würde die Geschichte nachher dem Seher erzählen müssen, da war es keine schlechte Idee, sie erst mal an einem Freund auszuprobieren. »Ich war auf dem Baugelände, so wie man es mir gestern Abend aufgetragen hat.«
Tony setzte sich auf die Matratze. Diesen Part kannte erbereits, da er dabei gewesen war, als bei der Versammlung wie immer die Aufgaben an uns verteilt worden waren.
»Alles lief wie geschmiert ... ich hatte das iPhone und das iPad aus seinem Rucksack geholt ... ein gelungener Coup.«
Tony pfiff anerkennend.
»Ich hatte es schon so gut wie nach draußen geschafft, als die Teile ... ähm ... explodiert sind.«
Tony schüttelte den Kopf. »Phee, diese Dinger gehen nicht einfach so in die Luft.«
Ich hielt ihm zum Beweis meine Hand hin. »Seit heute schon. Es war fast so, als hätte der Kerl da Feuerwerkskörper reingetan. Er hat die Sachen irgendwie manipuliert, schätze ich.« Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Vielleicht war der Typ ein Terrorist, der einen Anschlag verüben wollte?«
»Nicht, wenn du dir nur die Finger verbrannt hast. Das klingt für mich mehr nach ’nem elektrischen Feuer als nach einer Bombe.« Tony legte die Stirn in Falten.
Mein Gesichtsausdruck spiegelte seinen. »Ich hab vor ein paar Jahren mal etwas über Laptops gelesen, die einfach hochgegangen sind ... da war irgendwas mit den Batterien nicht in Ordnung.«
»Ja schon, aber dass das passiert ist, kurz nachdem du’s geklaut hat ... das kann kein Zufall sein.«
Zu diesem Schluss war ich selbst auch schon gekommen.
Tony kratzte sich am Kinn, schabte mit seiner rauen Hand über die Stoppeln in seinem Gesicht. »Aber er hätte doch gar nicht merken dürfen, dass du ihn abgezockthast, jedenfalls nicht, solange du noch auf dem Gelände warst.« Tony war ein schlauer Fuchs; er kannte die Wirkung meiner besonderen Gabe und hatte sofort die Schwachstelle in meiner Geschichte entdeckt.
Ich kauerte mich am Fuß des Bettes zusammen, müde bis in die Knochen. »Ich weiß. Das war für mich auch ein Riesenschock. Er hat alles mitgekriegt – ich schwör’s. Ich hab mein Gesicht in seinen Gedanken sehen können, als ich ihn beklaut habe. Er hat sich der Paralysierung widersetzt, war nicht komplett weggetreten.«
»Phee!« Tony rappelte sich mühevoll hoch. Er war über die jüngsten Ereignisse genauso erschüttert wie ich. »Das kannst du dem Seher nicht sagen! Er wird dich umbringen, wenn er glaubt, dass jemand weiß, wer du bist.«
Meine Kehle wurde staubtrocken. »Das würde ... er doch nicht machen, oder?«
Tony lachte heiser auf. »Was glaubst du denn, wo Mitch hin ist, nachdem er letztes Jahr festgenommen und gegen Kaution freigelassen worden war?«
Ich wollte das nicht hören – ehrlich nicht. »Er ist doch nach Spanien gefahren, nicht? Im Auftrag des Sehers.«
»Spanien? Tja, so kann man’s auch nennen. Er ist in ein dunkles Grab im Wald gefahren, dashur . Der Seher war sehr, sehr wütend auf ihn.«
Ich schlang mir den unverletzten Arm um die Taille und lehnte mich an die Wand. Sie fühlte sich kalt und glitschig an auf meiner nackten Schulter. Ein Teil von mir hatte schon immer das Grauen gespürt, das unterhalb der Oberfläche unseres Lebens mit dem Seher
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