Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
neue Geschichte zurechtlegen.« Tony rieb sich die Stirn. »Ich weiß was – erzähl ihm doch, dass diese Touristengruppe nicht zur Führung erschienen ist. Du behauptest einfach, dass es da eine Planänderung gegeben hat. Ich rede mal mit Sean – er hatte heute Dienstund wird bestimmt dichthalten, wenn du den Verlust morgen wiedergutmachst. Deine Brandwunde musst du natürlich verstecken.« Sean war einer von uns und arbeitete als Wachmann auf dem Olympiagelände.
»Und was habe ich dann den ganzen Tag lang gemacht?«
Tony schritt in dem winzigen Zimmer auf und ab. »Du ... du hast dich auf die Suche nach deinem Zielobjekt gemacht, nachdem die Studenten nicht erschienen waren ... Sie sind wegen einer Konferenz hier, richtig? Im Queen Mary College?«
Ich nickte.
»Und du hast rausgekriegt, wann morgen für dich der beste Zeitpunkt ist, um zuzuschlagen und Dinge im Wert von mindestens zwei Arbeitstagen zu erbeuten. Mach dem Seher den Mund richtig schön wässrig nach all den Laptops und Handys und prall gefüllten Börsen. Er wird dir einen Tag Zeit geben, damit du dich bewähren kannst.«
Ich strich mir oberhalb der Brandwunde mit der Hand über den Arm. »Aber er wollte, dass ich mir eine ganz bestimmte Person vornehme, und dieser Typ hat mich gesehen. Zweimal hintereinander dieselbe Person abzocken zu wollen, da ist Ärger doch vorprogammiert.«
»Na ja, da wirst du dir natürlich etwas einfallen lassen müssen.« Tony sah nicht mehr mich an, sondern die Risse im Putz an der Decke.
»Was meinst du damit?«
»Ich schätze, du musst einfach dafür sorgen, dass der iPad-Knabe nicht mehr länger darüber nachdenkt, werihn beklaut hat, indem du ihm andere, handfeste Probleme bescherst.«
»Was für Probleme zum Beispiel?«
»Du liebe Güte, Phee, benutz deine Fantasie. Paralysiere ihn und schubs ihn ’ne Treppe runter, verpass ihm eine Gehirnerschütterung, lass ihm ’nen Hammer auf die Hand fallen ... irgendeine Idee wirst du ja wohl haben. Bisher hast du deine Gabe nur zum Stehlen benutzt, aber du weißt doch, dass du noch ganz andere Möglichkeiten hast.«
»Aber nachher wird er ernsthaft verletzt!«
»Dann gib dir halt Mühe.« Tony drehte sich empört von mir weg. »Ich sage ja nicht, dass du ihn umbringen sollst – sorge einfach dafür, dass er eine Weile mit anderen Dingen beschäftigt ist. Wenn er seine Zeit bei Ärzten verbringt, wird er sich nicht wegen eines explodierten iPads sorgen. Sieh zu, dass er wieder nach Hause fährt.«
»Ich ... ich kann so was nicht.«
Tony riss die Tür auf. Er war mit seiner Geduld am Ende. »Du vergisst, Phee, dass du mich in die Sache mit reingezogen hast, als ich dich ohne Beute hier reingelassen habe. Du musst dafür sorgen, dass die Sache gut ausgeht und morgen wieder alles so ist wie immer – entweder das oder du verschwindest, damit das Ganze nicht auf mich zurückfällt.« Er warf mich praktisch raus, aus Angst, weil wir inzwischen dermaßen viele Regeln gebrochen hatten. »Verschwinde jetzt und überleg dir eine Geschichte für den Rapport morgen. Ich kann dir deine Entscheidungen nicht abnehmen – das ist allein deine Sache.«
Ich war gerade gegen eine dieser Barrieren geprallt, die wahrer Freundschaft im Weg stehen und die Bestandteil des Lebens in der Community waren. Ich dankte ihm mit knappen Worten und ging. Wir versuchten alle zu überleben und standen nur bis zu einem gewissen Punkt loyal zueinander.
Ich hoffte inständig, dass mich niemand sehen würde, als ich die Treppe zu meiner Wohnung hinaufhuschte. Die Lichtverhältnisse und der Geruch wurden merklich besser, je höher man kam. Meine Wohnung lag im fünften Stock, den Rest der Etage nahm der Seher zusammen mit seinem kleinen Trupp von Bodyguards und Günstlingen ein. Sie wären als Einzige um diese Uhrzeit zu Hause, aber ich musste einfach darauf vertrauen, dass sie mit anderen Dingen beschäftigt waren und nicht im Treppenaufgang Patrouille schoben. Der Seher hatte seine Wohnung recht luxuriös ausgestattet und besaß sogar einen eigenen Generator, der vor meiner Tür abgestellt war, sodass alle meine Abende begleitet waren von Motorgebrumm und stinkendem Dieselmief. Mir machte das nichts aus, denn es dämpfte den Lärm der ausschweifenden Partys, die der Seher feierte und bei denen schlimme Sachen passierten. Zum Glück war es mir bislang gelungen, mich davon fernzuhalten. Allerdings fragte ich mich, wie lange noch: Mir war aufgefallen, dass mich der Seher neuerdings so seltsam
Weitere Kostenlose Bücher