Sax
– ich bin eine freie Geuse! Aber er kommt schon wieder. Das Früchtchen muß nicht alles wissen. Es quält mich schon genug. Der Wein ist sauer, aber noch das Beste an diesem Bergloch – nicht wahr, Friderichludewig? Nur zwei Gläser – trinkst du nicht mit?
Ich danke, sagte Gregor finster. – Unser Gast trinkt besser auch nicht. Muß noch fahren, ins Tal. Wird erwartet. Sollte längst da sein.
Ich werde erwartet? fragte Achermann. – Das höre ich zum ersten Mal. Wer erwartet mich denn?
Das wissen Sie doch selbst, murrte Gregor. – Ihr Herr Diebold hockt im «Löwen», wer weiß, wie lange schon. Aber Sie haben nur Ihre Tochter im Kopf. Glauben Sie nur nicht, daß Sie hier übernachten können. Noch bin ich Freiherr von Hohensax.
Ein Schnösel bist du, sagte Adriana, und ein Giftzwerg dazu. Hast du das nötig? Schenk uns ein. Hubert bleibt, solange er will, und will er gehen, ist er im Hui wieder bei den Leuten im Tal.
Das wohl nicht, Freifrau, mit Verlaub, sagte Achermann. – Ich bin mit dem Wagen gekommen, und auf einem Weg, der diesen Namen nicht verdient. Ich habe im Leben keine solche Fahrt gemacht.
Sie hatte den Kopf erhoben; ihre Augen leuchteten. – So muß es sein, sagte sie. – Ein Herr, der zu einer Dame geht, muß das Leben verachten. – Das entschuldigt dich nicht, Friderichludewig. Es sieht dir gleich, einen Gast über den Dienstboteneingang einzuführen. Geh auf dein Zimmer.
Gregor wollte aufbegehren, da wiederholte sie: verschwinde.
Ich hoffe, Sie wissen, was Sie sagen.
Ich verzeihe dir nie, sagte sie.
Er zuckte, als wäre ihm eine Rute ins Gesicht gefahren, und hinkte aus dem Saal.
Enfin seuls
, sagte sie. – Gegen Sie hat er keine Chance, das soll er wissen. Mit ihm muß man deutlich sein wie mit einem Hund.
Die beiden Gläser waren blaue altertümliche Pokale mit langem Stiel, und der Wein, der darin schwamm, war schwarz wie Blut.
Hubert, auf Ihr Wohl. Sie haben mich erlöst.
Wann sind Sie erblindet? fragte er, als er ihr zutrank.
Immer, wenn es darauf ankam, habe ich die Augen zugemacht, und allmählich haben sie sich danach gerichtet. Ich habe genug gesehen, doch blind bin ich nicht.
Was können Sie Ihrem Sohn nicht verzeihen? fragte er.
Das verstehen Sie, wenn wir uns vermählt haben, sagte sie. –Aber Sie wollen ja heute noch weiter. Keine Sorge, Geliebter. Sie sind weg, ehe Sie sich’s versehen, und brauchen keinen Wagen dazu. Sie wollten zu Philipp, nicht wahr? Da steht Ihnen eine Entdeckung bevor.
Ich sollte Sie beide scheiden, sagte er.
Nur weil die Frau auf Abstand hält, wird man noch nicht geschieden, Hubert. Geht sie fremd, wie Männer sagen? Daran hängt gar nichts – es sei denn, man sei sich fremd geworden. Und auch das muß nicht das letzte sein. Ein wenig, und vielleicht gar nicht so wenig, soll man sich fremd bleiben. Nichts schadet einer Beziehung wie Vertraulichkeit.
Und was ist mit Vertrauen? fragte Achermann.
Wenn ein Mann gekränkt wird, redet er von Vertrauen, sagte sie, statt sich zu fragen, warum er so eitel war, sich kränken zu lassen. Philipp wird Sie zu Tode langweilen mit seinen Ehebruchsgeschichten. Sie sind eine Sucht. Statt Selbstvertrauen zu haben, braucht er eine Ehebrecherin. Und je bunter sie es treibt, desto weniger kann er sie entbehren.
Ich bin nicht sicher, ob ich Sie verstehe, sagte Achermann.
Verstehen Sie nicht mal, was Sie selbst erleben? fragte sie neckisch. – Bitte enttäuschen Sie mich nicht.
Aber so ist es, Freifrau. Ich verstehe eigentlich nie so richtig, was ich erlebe, oder erst lange hinterher.
Dann wird es ja Zeit, daß Sie einmal ordentlich sterben, sagte sie. – Oder glauben Sie, daß Sie sich mit solchen Geständnissen bei einer Frau ehrlich machen?
Achermann schwieg.
Ich wollte Sie nicht kränken, Gebenedeiter unter den Männern, sagte sie. – Sie sind ein Mann des Friedens, meine ganze Hoffnung. Philipp und ich waren Kriegskinder, anfangs wußten wir es nicht besser, am Ende konnten wir nicht mehr anders. Denn was heißt Krieg? Es ist nur ein anderes Wort für die Unfreiheit des Willens.
Philipp von Hohensax war ein großer Kriegsmann, sagte Achermann.
Wo haben Sie denn das her? fragte sie. – Philipp war ein Pedant, der die Kriegsgurgel mimte und hie und da ein paar Hälse abschnitt oder eine Stadt verbrannte, damit man’s ihm glaube – vergebliche Mühe, Hubert. Unter Kriegern der Gelehrte, unter Gelehrten der Krieger, das war sein Trick, mit dem er sich eine Weile durch beide Lager
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