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Sax

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Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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mehrfach die Gemeinde wechseln mußte und schließlich von seiner Landeskirche, diesem Pfuhl der Lauheit,aus dem Verkehr gezogen wurde. Doch seine Feindesliebe hatte auch im Ehebett Früchte getragen, nur daß die drei Söhne keinen Gottesnamen mehr bekamen, sondern diejenigen der Heiligen Drei Könige. Weise wurden sie nicht, doch beim mittleren, Melchior, war jedenfalls die Klugheit nicht zu bestreiten, auch eifern hatte er gelernt, nur daß er das geistliche Kapital auch ökonomisch gewinnbringend einzusetzen wußte. Wer Gott zum Eideshelfer hat, der kann auch einer mittelmäßigen Politik, die hierzulande als nötig gilt, die Furcht des Herrn lehren; so wurde Schieß immer größer und am Ende zum «Eidgenossen» in Person.
    Dörig schloß seine Erzählung mit den Worten: Von dem Mann könnt ihr euch was abschneiden, Hubert. Sei kein Verschwender wie Jacques. Es ist Bubenzeug, was der macht. Nimm eine Frau wie Sidonie, aber sei ein Mann und dreh sie um.
    Wenn’s weiter nichts ist, lachte Achermann.
    Auf dieser Welt sind schon ganz andere Dinge passiert. Gott ist Mensch geworden.
    Du glaubst doch gar nicht daran.
    Und wenn mich unser Prozeß missioniert hätte? Würde ja langsam Zeit. Ich dümple nicht mehr lange auf dem Obersee. Die nächste Fahrt ist Styx
einfach
.
    Styx?
    Mein Rätselbastler verwendet immer alle Buchstaben des Alphabets. Bei STYX hast du X und Y in
einem
Wort. Auch die Götter schworen beim Styx, wenn ihnen was wirklich ernst war. Zeus kannst du auch mal erweichen, den Tod nicht.
    Die Freitagskonferenzen der AAS fanden auf dem Dach statt, nur bei ganz schlechtem Wetter setzte man sich in Marybels Büro. Aber eigentlich war auch die Mansarde schon
ihre
Domäne. Sie hatte den gewünschten Garten daraus gemacht, nur
hängen
, wie derjenige der Semiramis, durfte er nicht. Das Weltwunder wollte gewässert sein. Man blickte durch Gruppen von Ginster, Goldwacholder und Scheinzypressen in die Weite. Vor Jacques’ Fenster hatte Marybeleine weiße Kamelie gestellt. Wenn das Bäumchen im Winter in sein Büro umzog, hörte es zu blühen nicht auf, wobei es die Blüten nicht verdorren, sondern schon beim ersten Braunstich ganz fallen ließ. Dann legte sie Marybel in eine flache Schale, wo sie noch eine kurze Weile schön blieben. Jacques’ Abwesenheit benützte sie dazu, um in seinem Zimmer das Gröbste aufzuräumen. So blieb im Hause kaum noch eine Lücke ihrer Zuständigkeit, aber manche Stellen waren schmerzempfindlich und vieles, was sie tat oder unterließ, eine Schule der Selbstüberwindung.
    Das Geißblatt war jetzt, in der Tat, zu einem Hügel gediehen, der den alten Kubus vollständig bedeckte. Bienen besuchten ihn, Käfer, Schmetterlinge, auch Nachtfalter. Er hatte mit der Linde um die Wette geduftet und versprach damit auch allein weiterzufahren, bis zum Einbruch des Winters. Während der Freitagskonferenz ging Marybel mit der Gießkanne herum, aber sie scheute sich nicht mehr, in den Diskurs einzugreifen.
    Ich weiß, was du in Amerika machst, Moritz, aber was machen wir ohne dich?
    Was mache ich denn in Amerika? fragte Moritz.
    Den Kapitalismus kaputt, sagte Marybel an der Geißblatthecke. Bei dieser Hitze trockneten die Kästen innerhalb eines Tages völlig aus.
    Und dann?
    Dann kommen
wir
, sagte Marybel.
    Da habe ich dir etwas nicht gut erklärt, sagte Moritz. – Der Kapitalismus geht nie kaputt. Dafür sind seine Schulden zu groß. Und er hat zu viele Geiseln.
    Aber es gibt kein wahres Leben im falschen, sagte Marybel.
    Und was machst du denn den ganzen Tag? lachte Moritz. – Wenn es kein wahres Leben im falschen gäbe, brauchten wir doch gar nicht erst anzufangen. Darum brauchst du das Grünzeug nicht zu übergießen! Nein, Marybel, wir gründen eine Bank, und die wird genauso bieder wie ihr Name: «zum Zinstragenden Sparhafen». Biederkeit ist das einzige, was Zukunft hat, denn es verschwendet sie nicht.
    Moritz rede wie eine graue Maus, erklärte Jacques, dabei sei er der berühmte Schmetterling der Chaostheorie. – Er flattert jetzt über den Atlantischen Ozean, nach New York, zu Nieman Brothers. Dort setzt er sich auf den Schreibtisch des Chefs und legt die Flügel zusammen. Damit löst er den Sturm aus, der die falsche Wirtschaft aus der Welt fegt und eine richtige an ihre Stelle setzt. Das war dann die Revolution, und jetzt bleibt nur noch die Frage: was tun wir danach? Sammeln wir Marken, dann profitiert endlich auch Peter Leu.
    Für ihn hat die Welt nichts Schönes mehr, sagte

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