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Sax

Sax

Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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ehemals darauf gemachten Betrachtungen Point Venus genannt war.
    Je länger wir blieben, je mehr wurden die Eindrücke des ersten Anblicks bestätigt, ja selbst bei jedem Spaziergang entdeckten wir neue Annehmlichkeiten. Die Bäume, welche ihre dickbelaubten Zweige gegen den Teich hin ausbreiteten, gewährten uns kühlen Schatten, und ein angenehmes Lüftchen, welches über das Wasser herwehte, milderte die Hitze des Tages noch mehr. Hier legten wir uns auf den weichen Rasen hin, um beim feierlich einförmigen Geräusch des Wasserfalls, dazwischen dann und wann ein Vogel schlug, die eingesammelten Pflanzen zu beschreiben, ehe sie verwelkten. Unsere einheimischen Begleiter lagerten sich ebenfalls unter das Gebüsch hin undsahen uns mit stiller Aufmerksamkeit zu. Wir hätten den ganzen Tag in dieser reizenden Einöde zubringen mögen!
    Die Frauenspersonen waren hübsch genug, um Europäern in die Augen zu fallen, die seit Jahr und Tag nichts von ihren Landsmänninnen gesehen hatten. Das ungewöhnlich sanfte Wesen, welches ein Hauptzug ihres Nationalcharakters ist, leuchtete sogleich aus allen ihren Gebärden und Handlungen hervor. Es schien, als hätten sie noch keinen Europäer in der Nähe gesehen, wenigstens fingen sie gleich an, unsere Kleidungen und Waffen neugierig zu untersuchen, doch ließ ihr angebornes flatterhaftes Wesen nicht zu, länger als einen Augenblick bei einem Gegenstande zu verweilen. Sie tanzten allerhand Tänze, worunter verschiedne waren, die mit unseren Begriffen von Zucht und Ehrbarkeit eben nicht sonderlich übereinstimmen. Die Leute waren aber auf unsere Korallen, Nägel und Messer so erpicht, daß wir gegen diese Waren eine unglaubliche Menge ihres Zeuges, ihrer Matten, Körbe und andere Gerätschaften, desgleichen Kokosnüsse, Brotfrucht, Yams und Pisangfrüchte in großen Überfluß zusammenbrachten. Sogar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, und unter selbigen gab es verschiedene Frauenspersonen, die sich ohne Schwierigkeiten den Wünschen unserer Matrosen überließen. Sobald es dunkel ward, verloren sie sich zwischen den Verdecken, und konnten ihnen ihre Liebhaber frisch Schweinefleisch vorsetzen, so aßen sie davon ohne Maß und Ziel. Sie hatten unregelmäßige, gemeine Gesichtszüge, aber schöne große Augen, die durchgehend sehr lebhaft waren: nächst diesen ersetzte auch ein ungezwungenes Lächeln und ein beständiges Bemühen zu gefallen, den Mangel an Schönheit so vollkommen, daß die Matrosen von ihnen ganz bezaubert waren und auf die leichtsinnigste Weise von der Welt, Hemder und Kleider weggaben, um sich diesen neuen Mätressen gefällig zu bezeigen. Einige von denen, die dieses Gewerbe trieben, mochten kaum neun oder zehn Jahre alt sein und hatten noch nicht das geringste Zeichen der Mannbarkeit an sich.
    Und so scheint es denn schon ein unvermeidliches Übel zu sein, daß wir Europäer bei unseren Entdeckungs-Reisen den armen Wilden allemal hart fallen müssen. Endlich wird das gemeine Volk diesen Druck empfinden und die Ursachen desselben gewahr werden, alsdann aber wird auch das Gefühl der gekränkten Menschheit in ihnen erwachen und eine Revolution veranlassen.
    II. Vom Menschenfressen
    Diese Nacht mußten sich die Matrosen ohne ihre gewöhnliche Gesellschaft behelfen. Der König hatte es den Frauensleuten für heute ausdrücklich untersagt, damit durch die Diebereien derselben nicht neue Händel entstehen möchten. Unser Kapitän konnte sich aus Unwillen über das schändliche Betragen dieses Kerls nicht enthalten, ihm eine Flintenkugel über den Kopf nachzufeuern, aber die Flinte versagte. Die Einwohner sahen ihn zielen, und da sie natürlicherweise vermuten konnten, daß er ein Gewehr in der Hand hielt, so säumten sie nicht, das Boot von allen Seiten mit Pfeilen und Speeren zu beschießen. Der Kapitän ließ also die Mannschaft aus wirklicher Notwehr auf die Indianer feuern. Es dauerte zwar eine geraume Weile, ehe eine einzige Flinte losgehen wollte; doch wurden endlich durch die ersten Schüsse gleich zwei Wilde dicht am Boote erlegt.
    Nachdem dieser Tumult vorüber war, gingen wir an Land, um unweit dem Orte, wo unsere Wasserfässer gefüllt wurden, nach Tische einen Spaziergang zu machen und das Zutrauen des Volkes wiederzugewinnen, welches uns, der eben erzählten Feindseligkeiten wegen, mit einem Mal verlassen hatte. Wir stellten ihnen vor, daß wir bei aller unserer Macht weder stehlen noch Gewalt brauchen, daß wir vielmehr alles und jedes redlich

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