Sax
bezahlen und oft Geschenke machten, wo wir uns nichts dagegen erwarten dürften; daß wir uns endlich überall als ihre besten Freunde bezeugt hätten.
Am folgenden Morgen besuchten uns viele von den Insulanern in ihren Kanus, und die Frauensleute kamen nicht nur in Menge an Bord, sondern ließen sich zum Teil auch die Nacht über bei unsern Matrosen gefallen. Die Matrosen fingen also nach einer kleinen Pause, ihre Lebensart von gestern mit desto größerer Begierde wiederum an. Der König brachte eine ganze Partie Leute an Bord, die bloß in der Absicht kamen, den Kopf des neuseeländischen Jünglings zu sehen, den Herr P. Weingeist aufbewahrt hatte.
Wir wußten zwar schon von unserem vorigen Ankerplatz her, wie feil die hiesigen Mädchens sind, doch hatten sie dort ihr Ausschweifungen nur bei Tage getrieben, des Nachts hingegen sich nie gewagt, auf dem Schiff zubleiben. Hier aber hatte man den europäischen Seemann schon besser ausstudiert, und die Mädchen mußten ohne Zweifel wissen, daß man sich demselben sicher anvertrauen könne, ja daß dies die herrlichste Gelegenheit von der Welt sei, ihm an Korallen, Nägeln, Beilen oder Hemden alles rein abzulocken. Es war erstaunend, was für eine Menge von Fleisch diese Mädchen verschlingen konnten, und ihre Gierigkeit dünkte uns ein deutlicher Beweis, daß ihnen dergleichen zuhause selten oder niemals vorkommen mochte.
Wer weiß also, ob die ersten Menschenfresser die Körper ihrer Feinde nicht aus bloßer Wut aufgefressen haben, damit gleichsam nicht das geringste von denselben übrig bleiben sollte? Wenn sie nun außerdem fanden, daß das Fleisch gesund und wohlschmeckend sei, so dürfen wir uns nicht wundern, daß sie endlich eine Gewohnheit daraus gemacht und die Erschlagenen allemal aufgefressen haben. So frühzeitige Ausschweifungen scheinen einen sehr hohen Grad von Wollust anzudeuten und müssen im Ganzen allerdings Einfluß auf die Nation haben. Doch so sehr es auch unserer Erziehung zuwider sein mag, so ist es doch an und für sich weder unnatürlich noch strafbar, Menschenfleisch zu essen.
Was Hubert Achermann früher an Lebenszeugnissen Horners gelesen hatte, stimmte zu seiner Physiognomie, die ihm von der Wand über die Schulter blickte, wenn er auf seiner spartanischen Schulbank saß. Im Stil eines Menschen teilt sich der Gestus seines Lebens mit. Aber in Horners «Diktat» erkannte Achermann den Jungmann aus bürgerlich solidem Haus nicht wieder, der als Astronom wie als Hausvater nichts als pflichtbewußt gewesen war. Am befremdlichsten aber war nicht seine Duldsamkeit gegen den Kannibalismus, sondern seine Neigung, das Arbeitsethos des reformierten Pfarrers, des gegen sich und andere strengen Professors, beiseite zu setzen und das Lob eines wunschlosen Dolcefarniente zu singen.
III. Geteiltes Glück
Das Ufer, dessen schlängelnder Krümmung wir aufwärts folgten, brachte uns zu einem senkrecht stehenden und mit mancherlei wohlriechendem Gebüsch behangenen Felsen, von welchem sich eine kristallhelle Wassersäule in einen glatten klaren Teich herabstürzte, dessen anmutiges Gestade überall mit bunten Blumen prangte. Dies war eine der schönsten Gegenden, die ich in meinem Leben gesehen. Kein Dichter kann sie so schön malen. Wir sahen von oben auf die fruchtbare, überall bebaute Ebene herab, und jenseits dieser in das weite blaue Meer hinaus! Der ganze Tag ward in Wohlleben und Müßiggang verbracht: sie salbten sich die Haare mit wohlriechendem Öl, sangen oder spielten die Flöte, kurz ein Vergnügen wechselte mit dem andern ab, und keine der Glückseligkeiten, die man hier zu Lande haben kann, blieb ungenossen. Vor jeder Hütte sah man eine kleine Gruppe von Leuten, die sich ins weiche Gras gelagert hatten oder mit kreuzweise übereinandergeschlagenen Beinen beisammen saßen und ihre glücklichen Stunden entweder verplauderten oder ausruhten. Einer von den jungen Männern blies mit den Nasenlöchern eine Flöte von Bambusrohr, die drei Löcher hatte, und ein anderer sang dazu. Wir hieltens daher für unsere Pflicht, ihn nach Vermögen zu belohnen, und schenkten ihm das beste, was wir bei uns hatten, eine Menge durchsichtiger Glaskorallen und Nägel, womit er äußerst vergnügt und zufrieden war.
Bei dem ehrwürdigen Paar, das uns bei Tisch bediente, hätten wir auf eine poetische Weise vergessen mögen, daß wir Menschen wären und auf den Gedanken kommen können, daß wir als Götter bewirtet wurden: allein unser Unvermögen, sie zu
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