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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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Sitte, überall Gruben auszuheben! Konnte man irgendwo, tags oder nachts, spazieren gehen, ohne in eine der unzähligen Vorrats-, Kühl-, Abfall-, Wildgruben zu fallen? Man musste sogar froh sein, wenn man nicht, unten angekommen, von einem Wolf oder Bären umarmt wurde
    Ich hatte gerade mit dem Rückzug begonnen, vorsichtig bemüht, bei jedem Schritt festen Boden unter die Füße zu bekommen, als ich nicht weit entfernt die Schatten mehrerer Männer bemerkte.
    Einer sagte: „Hier war es. Hier hat jemand geschrien. Genau hinterm Haus. Habt ihr es denn nicht gehört?“
    „Wird ein Betrunkener gewesen sein“, sagte ein anderer. „Ist hingefallen und wieder aufgestanden. Was geht es uns an? Kommt weiter, sie schließen das Tor.“
    Die Stimmen kamen mir gleich bekannt vor. Die erste gehörte dem alten Wrach, die zweite dem Schieler. Ich trat auf die Männer zu und gab mich zu erkennen.
    „Wart Ihr es, der geschrien hat?“, fragte der Alte.
    „Ja. Ich bin in die Speichergrube gestürzt, es ist mir aber nichts geschehen. Ich hatte Gesang gehört, dort oben aus dem Hain.“
    „Gesang? Das war Nasio.“
    „Nasio? Wer ist das?“
    „Ein armer Teufel. Ist verrückt geworden. Seitdem singt er.“
    „Ihr kennt ihn also.“
    „Gesehen haben wir ihn schon lange nicht mehr.“
    „Wo lebt er denn?“
    „Na, da oben.“
    „Auf dem Baum?“
    „Auf dem oder einem anderen. Stehen ja viele herum.“
    „Nasio ist flink wie ein Eichhorn“, warf einer dazwischen.
    „Ja“, sagte Wrach. „Wenn es ihm irgendwo nicht gefällt … schwupp! Ein Sprung und er hat eine neue Behausung.“
    Die Männer lachten leise und dumpf. Sie waren anscheinend so müde, dass sie kaum noch die Kraft dazu hatten. Sie standen krumm da, mit hängenden Köpfen. Einige hatte Beile und Spaten geschultert.
    „Nehmt es nicht übel“, sagte der Schieler, der ein Seil über der Schulter hängen hatte, „aber wir müssen gehen, sie schließen das Tor.“
    „Ja, geht nur. Warum seid ihr eigentlich noch unterwegs?“
    „Die Arbeit musste ja getan werden. Aber jetzt sind wir fertig.“
    „Und was war das für eine Arbeit?“
    „Wir haben noch Stämme hergeschafft. Vom Rodeplatz.“
    „So spät noch?“
    „Als Strafe. Weil wir mit Herrn Hatto gegangen waren.“ Die vorwitzige Stimme gehörte dem Bürschlein, das am Morgen den fliehenden Erk mit der Sense verletzt hatte.
    „Was redest du Dummkopf da?“, fuhr ihn der Schieler an. „Von wegen Strafe! Ein Ochse hat schlapp gemacht, Herr. Aber darf man so viel Holz über Nacht draußen liegen lassen? Es wird gestohlen und der Herr Graf hat den Schaden. Kommt jetzt, Leute!“
    Sie zogen ab. In diesem Augenblick stimmte der Baummensch einen neuen Gesang an. Ein dünner, endlos langer Klagelaut übertönte das dumpfe Gegröle der Gelageteilnehmer. Wrach, der am Schluss der Kolonne ging, blieb stehen und schlurfte zu mir zurück.
    „Schwer ist ihm ums Herz“, sagte er seufzend. „Hat Unglück gehabt, der Ärmste, und trauert.“
    „Er trauert? Um wen?“
    „Seine Brüder.“
    „Ist es ein Bauer aus euerm Dorf?“
    „Ein Fremder ist’s.“ Wrach dämpfte die Stimme. „Hat hier gelebt mit den anderen. Da hinten im Wald.“
    „Im Wald?“
    „In der Nähe vom Steingrab. Haben sich eine Hütte gebaut. Waren solche wie du.“
     „Was? Mönche?“
    „Der da oben, Nasio … dick und stark war er, nicht zimperlich. Trug einen Knüppel unter seinem Gewand, hat manchen verprügelt. Jetzt ist er mager wie ein Sperling. Hockt da oben und kommt nicht wieder herunter. Nur wenn er hin ist, wird er runterfallen.“
    Wrach wandte sich ab und wollte seinen Gefährten folgen. Ich hielt ihn zurück.
    „Warte! Du sagst, es waren mehrere Mönche? Wie viele?“
    „Es waren vier.“
    „Tatsächlich? Vier? Und die anderen?“
    „Die anderen?“
    „Ja! Die anderen drei! Wo sind sie?“
    „Wo werden sie sein? Wer weiß das? Vielleicht hoch oben, vielleicht tief unten.“ Wrach deutete nach dem Himmel und nach der Erde. „Wo ist mein Sohn? Er ist im vorigen Sommer gefallen. Musste zum Heerbann. War gar nicht dran, aber Herr Volz hat ihn aufgeboten. Früher wäre er nach Walhall gekommen, in die Ehrenhalle der Gefallenen. Wo ist er jetzt? Warum hat der Herr Christ ihn nicht beschützt? Wäre er hier, müsste sein alter Vater nicht Holz schlagen. Hatten drei Hufe, schönes Vieh. Alles verloren. Den neuen Herren gehört es …“
    Er verirrte sich in seinen Gedanken und brabbelte vor sich hin, als nähme er mich

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