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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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Gefolgsleute. Nach den Männern erschienen die Frauen. In ein weites Gewand gehüllt, das Haar unter einem Schleier verborgen, ging an der Spitze der Gruppe die hübsche, aber immer streng und verschlossen blickende Nelda, Hattos Tochter. Ihr folgten einige ältere Frauen, die wohl gleichfalls zur Klägerpartei gehörten.
    Zwei Knechte führten den Beklagten herbei. Der starke Erk hielt den Kopf tief gesenkt, seine Hände waren gefesselt. Sein Bruder Wig glitt nach ihm heraus, dunkel und schmal, ein halbierter Schatten. Aus zwei Gründen war er an der Seite des Täters: als nächster Verwandter und als Priester der Kirche, die die Freistatt gewährt hatte.
    Wenige Augenblicke später waren auch alle Dingpflichtigen vor uns auf der Wiese versammelt. Es mochten an die hundert sein. Natürlich unterließen wir es, eine Anwesenheitsüberprüfung vorzunehmen. Das gebotene Ding ist ja kein mallum generale , kein allgemeines Volksgericht wie das ungebotene, das dreimal im Jahr stattfindet. Odos großspurige Ankündigung, Säumigen Bannbußen aufzuerlegen, war daher nicht rechtens. Nur die Parteien sind verpflichtet, der Ladung zu einem placitum particulare Folge zu leisten. Wie das Hofgericht in der Königspfalz können auch Königsboten als dessen Außenposten notfalls auf eine Versammlung verzichten. Allerdings ist es wünschenswert, der königlichen Gerichtsbarkeit so viel öffentliche Beachtung wie möglich zu sichern. Volz und Gozbert hatten sich anscheinend dazu entschlossen, wohl weniger von Odos Drohung beeindruckt als in der vernünftigen Erwägung, dass es besser für sie war, einen offenen Konflikt zu vermeiden.
    Inzwischen hatte sich alles jenseits der den Ring markierenden Haselstangen gruppiert. Die meisten Männer, die plaudernd herumstanden, kannte ich schon von dem Festgelage. Es waren Edelinge und Frilinge aus der nahen Umgebung. Außer Wig und den Zeugen, die sich abseits in einer kleinen Gruppe zusammendrängten, schienen keine Laten gekommen zu sein. Ich bemerkte nun auch Herrn Gozbert und seine Schwester, Frau Frodegard. Neben den weiblichen Verwandten war sie die einzige Frau auf dem Dingplatz. Als reiche Witwe mit dem drittgrößten Allod im Gau genoss sie Vorrechte, die gewöhnlichen Frauen, auch denen von Edelingen, nicht zukamen. Man hatte ihr sogar einen Armstuhl herauf gebracht, in dem sie hoheitsvoll und mit gelangweilter Miene Platz nahm.
    Graf Volz stieg eisenklirrend den kleinen Hügel zu uns herauf. Unter dem schimmernden Helm wallte sein graues Haar auf Mantel und Brünne hernieder. Sein rundes Gesicht war von der Morgenfrische gerötet. Wie immer beherrschte er sich glänzend. Kein Wort, kein Blick, keine Geste erinnerten an die Verstimmung des gestrigen Tages. An der Stelle, wo er sonst selbst Gericht zu halten pflegte, grüßte er uns, die königlichen Richter, mit vollendeter Höflichkeit. Er bat um Nachsicht, weil sich die Klägerpartei, die er als Wortführer auf dem Ding vertrete, ein wenig verspätet hatte. Man sei gegangen, um die fraisch zu holen, das Leibzeichen des Ermordeten, der tags zuvor schon ins Grab gelegt worden war. Der Vorgang habe ein wenig Zeit benötigt – der Leichnam des edlen Hatto musste ja ausgegraben und anständig wieder bestattet werden – doch habe man lieber den Verzug in Kauf nehmen als einen Bestandteil des Klagezeremoniells weglassen wollen. Volz forderte uns dann auf, das Gericht zu eröffnen, damit man die Klage anstimmen könne.
    Wir begannen also, unseres Amtes zu walten. Odo, der die Versammlung leiten sollte, hatte inzwischen den Helm aufgesetzt und seine Waffen an sich genommen.
    Er erhob sich und schlug dreimal mit dem Richterstab gegen den am Speer aufgehängten Schild.

12. Kapitel
    Hätte uns jemand in diesem Augenblick vorausgesagt, auf welch schauerliche, monströse Weise dieser Gerichtstag enden würde, hätten wir ihm wohl nicht geglaubt. Trotz aller vorherigen Befürchtungen schien nun alles auf einen normalen Verlauf hinzudeuten. Der Fall war klar und es konnte nicht unsere Aufgabe sein, ihn schwieriger und verworrener zu machen.
    Den tieferen, feinen, versteckten Ursachen eines Verbrechens nachzuspüren ist eine Gerichtsversammlung ohnehin nicht geeignet. Selbst für eine Untat, die offen zutage liegt, bedarf es ja der Ankläger und der Zeugen. Für ein Verbrechen, das im Geheimen und aus dem Hinterhalt verübt wird, findet sich kaum je ein Beweis. Ist gar ein Mächtiger verwickelt, ist es so gut wie unmöglich, ihn öffentlich

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