Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
Bächlein sickerte in einen struppigen Bart, dessen Träger damals, als sie das Messer für den Heiligen wetzten, wohl auch schon dabei war.
Herr Gozbert warf einen Blick in die Runde und seufzte spöttisch. Wrach und ein paar andere in der Gruppe der Mordzeugen blickten finster und tauschten leise Bemerkungen. Nur Nelda schrie mehrmals: „Mörder! Mörder!“.
Zwei der Gerüsteten, ihre Verwandten, packten sie und schleppten sie von der Dingstätte. Noch vom Salhof her waren ihre Schmährufe zu hören.
Wig erwachte nun endlich aus seiner Erstarrung. Mit verzerrtem Gesicht schrie er: „Und warum habt Ihr behauptet, Ihr hättet den Heiligen aus Rom mitgebracht?“
„Das will ich dir gern erklären, mein Junge“, erwiderte Volz, während er den Schädel behutsam in den Schrein zurücklegte und sich mit einem Zipfel seines Mantels die Augen trocknete. „Du selbst gabst mir dazu die Idee ein. Theofried in seiner Bescheidenheit wollte nicht mehr, als hier in diesem lieblichen Hain begraben liegen. Wir haben ihn später in der Kirche gebettet, aber auch dort still und namenlos, wie es sein Wunsch war. Du brachtest mich auf den Gedanken, dass wir ja eine Reliquie hatten. Einen kostbaren heiligen Leib. Aber was ist schon ein heiliger Leib, der nicht aus Rom stammt? Der nicht sein Martyrium unter den grausamen römischen Kaisern erlitten hatte? Der nicht vom Papst gesegnet wurde? Wenn wir unserem Theofried Wallfahrer zuführen wollten, mussten wir ihm zu einer Legende verhelfen. Alles hat heute seinen Preis, auch das Wunder, das ein Heiliger vollbringt. Das letzte kostete uns neun Goldstücke und Ihr, meine Herren Königsboten, wart so gerecht, sie denen zu lassen, die sie ehrlich verdient hatten. Doch wir sollten endlich zur Eidleistung kommen! Die Sonne steht ja schon hoch am Mittag.“
Volz wandte sich nicht noch einmal an mich, sondern wollte nun Wig befehlen, die Eidesformel zu sprechen. Aber der junge Priester war schon nicht mehr im Ring. Entsetzt hatte er die Flucht ergriffen. So als sei der Leibhaftige hinter ihm her, lief er über die Wiese davon.
Volz beachtete dies nicht weiter, sondern winkte einem der Sachverständigen, jenem Alten, der ihn zu dem Reinigungseid gedrängt hatte. Der sprach die Formel in einer Weise, die darin Übung verriet. Volz hatte Waffen und Rüstung abgelegt, berührte den Schrein und schwor bei den Gebeinen des heiligen Theofried, am Tode des Hatto schuldlos zu sein. Nach ihm traten Gozbert und die gräflichen Vasallen heran. Jeder legte die eine Hand auf den Schrein und die andere auf die Schulter des Grafen und beschwor dessen Unschuld. Sie taten es ohne Feierlichkeit, so als wäre es eine profane Verrichtung, und einige vergaßen sogar, ihre Beile und Dolche abzulegen.
Um Odo und mich schien sich niemand mehr zu kümmern. Die Regel, den Eid zu „stäben“, das heißt von einem der stabtragenden Richter vorsprechen zu lassen, war einfach außer Kraft gesetzt worden. Volz hatte gewohnheitsmäßig die Leitung der Versammlung übernommen und schien nicht geneigt zu sein, sie wieder abzugeben. Während der Verhöre musste er seinen Plan geändert haben, wahrscheinlich war diese Möglichkeit schon im Voraus bedacht worden. Dafür gab es jetzt bedrohliche Anzeichen.
Für mich war es vor allem die Art seiner Rechtfertigung, die uns Gefahr verhieß. Halb heuchlerisch, halb unverfroren und ohne am Ende noch etwas zu leugnen, hatte er sich zu seinen Taten bekannt. Vereinzelt mochte er Zweifel und Unmut gespürt haben, und so hatte er es für nötig gehalten, seinen Anhängern und Mittätern die Ereignisse nochmals zu deuten, damit sie wussten, was sie zu denken hatten. Auf einen hörigen Priester musste er dabei keine Rücksicht nehmen. Aber war das etwas für die Ohren von Königsboten? Was würde geschehen, wenn wir nach der Pfalz zurückkehrten und berichteten, was wir gehört hatten? Musste Volz dann nicht mit dem königlichen Zorn und dem Befehl rechnen, sich unverzüglich vor dem Hofgericht zu verantworten? Und drohten ihm nicht Bestrafung und Amtsenthebung?
Nichts dergleichen schien er zu fürchten.
Ich wollte Odo meine Besorgnisse im Flüsterton mitteilen, aber er hörte nicht zu. Auch der Eidleistung widmete er keine Aufmerksamkeit. Seine Blicke huschten umher. Seine große Nase kräuselte sich, als ob sie etwas erschnüffeln wollte. Er spähte mehrmals zum Waldrand hin und so folgte auch ich mit dem Blick dieser Richtung.
Im ersten Augenblick sah ich nur dichtes
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