Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
nicht – es hat mich!« Und dann ein schauriger, schlürfender Ton.

Das Alibi
    »Wenn man erst wirklich im Rücken eines großen, gefräßigen wilden Tieres steckt, ist die Frage, wie wünschenswert der Verlust eines Körpergliedes sei, nicht mehr Gegenstand längerer Betrachtungen.«
The Wallet of Kai-Lung
    »Ich bin mitten hineingetreten«, sagte Wimseys Stimme ruhig aus der Dunkelheit. »Man sinkt sehr schnell. Kommen Sie lieber nicht näher, sonst versinken Sie mit. Wir wollen ein bißchen schreien. Ich glaube nicht, daß wir noch weit von Grider's Hole sind.«
    »Wenn Eure Lordschaft weiter schreien möchten«, entgegnete Mr. Bunter, »glaube ich – ich kann – zu Ihnen kommen«, keuchte er, indem er mit den Zähnen den harten Knoten einer Rolle Schnur öffnete.
    »Heda!« rief Lord Peter gehorsam. »Hilfe! Hallo! Hallo!«
    Mr. Bunter tastete sich auf die Stimme zu, wobei er mit seinem Spazierstock gewissenhaft den Boden vor sich untersuchte.
    »Sie sollten lieber wegbleiben, Bunter«, sagte Lord Peter verstockt. »Was nützt es, wenn wir alle beide –?« Wieder versuchte er zu strampeln und zu rudern.
    »Tun Sie das nicht, Mylord«, rief sein Diener beschwörend. »Sie sinken nur noch tiefer ein.«
    »Jetzt bin ich bis zu den Oberschenkeln drin«, sagte Lord Peter.
    »Ich komme«, sagte Bunter. »Schreien Sie weiter. Ah, hier fängt es an weich zu werden.«
    Er stocherte sorgsam im Boden herum, entschied sich für ein Grasbüschel, das ihm einigermaßen fest zu sein schien, und stieß seinen Stock tief hinein.
    »Heda! Hallo! Hilfe!« schrie Lord Peter aus voller Brust.
    Mr. Bunter band das eine Ende der Schnur an den Spazierstock, schnürte den Regenmantel fest um sich, legte sich vorsichtig auf den Bauch und schob sich, die Schnur in der Hand, voran wie ein sehr gotischer Theseus einer späten und degenerierten Schule.
    Das Moor hob und senkte sich bedrohlich unter ihm, während er darüberkroch, und schlammiges Wasser schwappte ihm ins Gesicht. Er tastete mit den Händen nach Grasbüscheln und stützte sich darauf ab, wann immer er konnte.
    »Rufen Sie noch einmal, Mylord!«
    »Hier!« Die Stimme klang schwächer und kam von rechts. Bunter hatte beim Herumtasten ein wenig die Richtung verloren. »Ich kann es nicht wagen, schneller zu kommen«, erklärte er. Ihm war, als krieche er schon seit Jahren.
    »Gehen Sie raus hier, solange noch Zeit ist«, sagte Peter. »Ich bin jetzt bis zur Hüfte drin. Mein Gott, das ist wirklich keine schöne Art, abzutreten!«
    »Sie werden nicht abtreten«, knurrte Bunter. Seine Stimme war plötzlich ganz nah. »Jetzt Ihre Hände.«
    Ein paar quälende Minuten lang suchten zwei Paar Hände auf dem unsichtbaren Schlamm herum. Dann:
    »Halten Sie die Ihren still«, sagte Bunter. Er machte langsame, kreisende Bewegungen. Es war nicht einfach, das Gesicht aus dem Schlamm zu halten. Seine Hände glitten über die glitschige Fläche – und bekamen plötzlich einen Arm zu fassen.
    »Gott sei Dank!« sagte Bunter. »Halten Sie sich daran fest, Mylord.«
    Er tastete sich weiter vor. Die Arme waren schon gefährlich dicht über dem gefräßigen Schlamm. Lord Peters Hände krochen an seinen Armen empor und blieben auf seinen Schultern liegen. Er packte Wimsey unter den Achseln und zog. Dabei sanken seine eigenen Knie tief in den Morast. Hastig streckte er sich wieder flach aus. Ohne die Knie zu benutzen hatte er keine Kraft, aber sie zu benutzen bedeutete den sicheren Tod. Sie konnten hier nur verzweifelt ausharren, bis Hilfe kam – oder bis die Anstrengung zu groß wurde. Er konnte nicht einmal schreien; es ging schon fast über seine Kräfte, den Mund über Wasser zu halten. Die Muskelanspannung an seinen Schultern wurde unerträglich, und schon das bloße Atemholen verursachte ihm quälende Schmerzen im Nacken.
    »Sie müssen weiter schreien, Mylord.«
    Wimsey schrie. Seine Stimme war brüchig und schwach geworden.
    »Bunter, alter Freund«, sagte Lord Peter, »es tut mir so entsetzlich leid, daß ich Sie da mit hineingezogen habe.«
    »Keine Ursache, Mylord«, sagte Bunter, den Mund im Morast. Da fiel ihm plötzlich etwas ein.
    »Wo ist Ihr Stock geblieben, Mylord?«
    »Fallen gelassen. Er müßte ganz in der Nähe liegen, wenn er nicht versunken ist.«
    Bunter ließ behutsam mit der linken Hand los und begann zu suchen.
    »He! Holla! Hilfe!«
    Bunters Hand fand den Stock, der wie durch ein Wunder auf einem halbwegs festen Grasbüschel gelandet war. Er zog ihn zu sich und

Weitere Kostenlose Bücher