Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
legte ihn sich über die Arme, so daß er sein Kinn darauf stützen konnte. Die momentane Erleichterung für seine Nackenmuskeln war so groß, daß er wieder Mut faßte. Er glaubte jetzt auf ewig durchhalten zu können.
    »Hilfe!«
    Minuten vergingen wie Stunden.
    »Da! Haben Sie das gesehen?«
    Ein schwaches, flackerndes Leuchten irgendwo rechts. Beide schrien zugleich mit der Kraft der Verzweiflung.
    »Hilfe! Hilfe! Heda! Hallo! Hilfe!«
    Ein Schrei zur Antwort. Das Licht schwankte – kam näher – ein größer werdender Schimmer im Nebel.
    »Wir müssen weitermachen«, keuchte Wimsey. Sie riefen wieder.
    »Wo seid ihr?«
    »Hier!«
    »Hallo!« Pause. Dann:
    »Hier ist 'n Stock«, sagte eine Stimme plötzlich ganz nah.
    »Folgt der Schnur!« schrie Bunter. Sie hörten zwei Stimmen, die offenbar diskutierten. Dann wurde an der Schnur gezogen.
    »Hier! Hier! Wir sind zu zweit! Beeilt euch!«
    Weitere Beratungen.
    »Könnt ihr euch noch halten?«
    »Ja, wenn ihr euch beeilt.«
    »Wir müssen 'ne Hürde holen. Zwei seid ihr?«
    »Ja.«
    »Tief drin?«
    »Einer.«
    »Ist gut. Da kommt Jim.«
    Ein Platschen verkündete die Ankunft Jims mit einer Hürde. Dann folgte ein endloses Warten. Noch eine Hürde, ein Ruck an der Schnur, und das verschwommene Licht bewegte sich heftig hin und her. Eine dritte Hürde wurde abgeworfen, und plötzlich tauchte die Laterne aus dem Nebel auf. Eine Hand packte Bunter am Fußgelenk.
    »Wo ist der andere?«
    »Hier – fast bis zum Hals drin. Habt ihr ein Seil?«
    »Klar. Jim! Das Seil!«
    Das Seil kam durch den Nebel gezischt. Bunter packte es und schlang es seinem Gebieter um die Brust.
    »Jetzt – komm du da raus und zieh mit.«
    Bunter schob sich vorsichtig rückwärts auf die Hürde. Alle drei packten das Seil. Es war, als müßten sie die Erde aus ihrer Bahn ziehen.
    »Ich glaube, ich bin an Australien festgewachsen«, keuchte Peter in entschuldigendem Ton. Bunter schwitzte und schluchzte.
    »Gut so – jetzt kommt er!«
    Langsam, Zentimeter für Zentimeter, gab das Moor nach. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt.
    Plötzlich, mit einem lauten Plop , ließ das Moor sein Opfer los. Die drei am Seil flogen längelang auf die Hürden. Etwas Unkenntliches, Morastiges lag hilflos auf der Hürde und versuchte sich zu erheben. Sie zogen fast verzweifelt weiter an ihm, als fürchteten sie, er könne ihnen wieder vor der Nase weggeschnappt werden. Übler Moorgestank stieg ringsum hoch. Sie brachten die erste Hürde hinter sich – die zweite – die dritte – und richteten sich schwankend auf festem Boden auf.
    »Ekelhafte Stelle hier«, sagte Lord Peter schwach, »'tschuldigung, dumm von mir, das zu vergessen – wie heißt ihr?«
    »Na, das war aber 'n Glück«, sagte einer seiner Retter. »Wir ham gedacht, da schreit einer. Aus dem Peter's Pott kommen wenige wieder raus, glaub ich – tot oder lebendig.«
    »Diesmal war Peter wirklich fast im Pott«, sagte Seine Lordschaft und fiel in Ohnmacht.
    Lord Peters Einzug ins Bauernhaus von Grider's Hole an diesem Abend sollte in seiner Erinnerung immer etwas Alptraumhaftes haben. Nebelschwaden begleiteten sie, als sie die Tür öffneten, und dazwischen dampfte der Feuerschein.
    Eine Hängelampe sorgte für trübes Licht. Mrs. Grimethorpes Medusenhaupt, erschreckend weiß zwischen ihrem schwarzen Haar, sah ihn von oben bis unten an. Eine haarige Pranke packte sie bei der Schulter und riß sie zur Seite.
    »Schamlos! Ein Mann – irgendein Mann – was anders hast du nicht im Kopf. Warte gefälligst, bis du gerufen wirst. Was ist hier los?«
    Stimmen – Stimmen – und so viele wild starrende Gesichter auf allen Seiten.
    »Peter's Pott? Und was hattet ihr nachts um die Zeit im Moor zu suchen?«
    Einer der Männer, ein Landarbeiter mit verwachsenen Schultern und schmalem, boshaftem Gesicht, stimmte plötzlich ein unmelodisches Lied an:
    »Ich wollt ein Mädchen freien gehen
im Ilkley-Moor ohn' Hut.«
    »Halt die Schnauze!« schrie Grimethorpe in höchster Wut. »Du willst wohl, daß ich dir jeden Knochen im Leib einzeln breche, was?« Er wandte sich an Bunter. »Haut bloß hier ab, ihr beide, sag ich. Ihr seid auf nichts Gutes aus.«
    »Aber William –« begann seine Frau. Er fuhr zu ihr herum wie ein bissiger Hund, und sie wich ängstlich zurück.
    »Nun mal langsam, langsam«, sagte ein Mann, den Wimsey undeutlich als den erkannte, mit dem er sich bei seinem ersten Besuch hier angefreundet hatte, »du mußt sie für die Nacht aufnehmen,

Weitere Kostenlose Bücher