Sayuri
er sich zur Seite und sah aus strahlend blauen Augen zu ihm auf. Kurz entglitten ihm die Gesichtszüge, dann wurde seine Miene verschlossen.
»Ihr hier, Prinz?«, fragte der junge Mann. Seine Stimme klang kraftlos, aber die Worte waren doch von einem hasserfüllten Spott durchzogen.
Kiyoshi biss sich auf die Unterlippe. Die Verbitterung, die ihm von allen, die ihn erkannten, entgegenschlug, war ihm nur zu verständlich.
»Sieht ganz so aus«, antwortete er und ärgerte sich über den kühlen Unterton in seiner Stimme.
Der Körper des Jungen erbebte, ein leises, freudloses Lachen brach aus ihm hervor. »Welche Ironie«, sagte er mit rasselndem Atem und unterdrückte einen Hustenreiz. »Ich habe nur eines in meinem Leben versucht: der Macht und dem Einfluss des Kaisers zu entkommen. Irgendwann wollte ich nur noch sterben und hätte es auch sollen. Doch dann fand ich mich in dieser Hölle hier wieder.« Keuchend holte er Luft, als wäre es schon zu anstrengend, die wenigen Sätze zu sprechen. »Und nun muss ich feststellen, dass selbst hier der Kaiser mich mit seiner Familie zu verfolgen scheint.«
Kiyoshi wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
Wieder ließ der Fremde ein heiseres Lachen hören. »Die Götter haben eine bittere Art von Humor!«, stieß er hervor.
Seine Stimme kam Kiyoshi plötzlich vertraut vor, als hätte ein neuer Ton mitgeklungen, der ihn an etwas erinnerte. Aber die Erinnerung entzog sich ihm wie ein Schatten, den man einfach nicht greifen konnte.
»Du hast heute Nacht versucht zu fliehen, oder?«, fragte Kiyoshi leise, und als der junge Mann schwach nickte, sah Kiyoshi ihn gespannt an. Der Gedanke an eine mögliche Flucht erschien ihm wie ein Hoffnungsschimmer in finsterer Nacht – doch der kleine Lichtblick wurde schon im nächsten Augenblick wieder zerstört.
»Aber es ist sinnlos. Es war bereits mein zweiter Versuch, obwohl ich noch nicht lange hier bin«, sagte der Fremde und um seine Mundwinkel lag ein spöttischer Zug, als er das Funkeln in Kiyoshis Blick erlöschen sah. »Sie fangen dich ein, bestrafen dich, bringen dich zurück und wieder geht alles von vorne los. Ich bin nicht der Erste hier im Lager, der es versucht hat.« Er stieß ein heiseres Lachen aus, das mehr einem grimmigen Knurren ähnelte. »Aber trotz allem, was man sich im Lager so erzählt – ich konnte nicht anders. Die Menschen hier leiden zu sehen, ist schlimmer als der Tod. Verzweifelt warten sie auf ihr Ende, aber die Söldner halten sie am Leben, sodass sie weiterarbeiten müssen, bis sie irgendwann einfach vor Erschöpfung im Schlaf sterben. Keiner wird hier alt.« Die blauen Augen flackerten unruhig. »Das Schlimmste aber ist, dass es die Leute irgendwann gar nicht mehr interessiert. Sie rappeln sich jeden Morgen auf, räumen die Leichen weg, die neben ihnen in den Baracken liegen, und gehen zur Arbeit. Man hat gar keine andere Wahl.«
Kiyoshi schwieg eine Weile. Die Worte des jungen Mannes hatten eine grausame Kälte in ihm zurückgelassen, doch im nächsten Moment packte ihn die Wut. »Man hat immer eine Wahl«, sagte er und musste sich zwingen, seine Stimme ruhig zu halten. »Man muss es nur wollen.«
Der Mann schüttelte den Kopf und lachte spöttisch auf. »Das hab ich früher auch mal behauptet«, erwiderte er. »Sogar oft. Aber na ja, vielleicht kann ein Mitglied der Kaiserfamilie die Essjiar ja mit bloßen Händen angreifen oder die bewaffneten Söldner.«
Stumm erwiderte Kiyoshi den höhnischen Blick des Jungen.
»Wenn du mir einen Gefallen tun willst, bring mich um oder lass mich hier liegen. Lass mich einfach sterben!«
Entschieden schüttelte Kiyoshi den Kopf.
»Ich wollte verflucht noch einmal endlich sterben«, flüsterte der Fremde.
»Dann hast du es entweder nicht richtig angestellt oder du bist verdammt untalentiert, was das angeht«, sagte Kiyoshi. Verblüfft schauten die blauen Augen zu ihm auf. Der Mann lachte heiser. »Was gibt es für einen sichereren Tod, als vom Kaiser verurteilt und hingerichtet zu werden?«, fragte er flüsternd.
Kiyoshi erstarrte. Sofort hatte er die Bilder vor Augen, als die Attentäter und ihre Komplizen in das reißende Wasser in den Abgrund gestoßen worden waren. War das wirklich erst vor ein paar Tagen gewesen?
Er hatte ihre Silhouetten selbst gesehen, hatte ihren Kampf mit Miro und den Wachen beobachtet.
Der junge Mann musste einer von ihnen sein. Er schloss die Augen und versuchte, sich ihre Gesichter vorzustellen. Einer der Verurteilten
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