Sayuri
musste.
Sie erinnerte sich an die ersten Tage, in denen sie ihren Garten auf dem Dach angelegt hatte. Da war das Wasser einfach aus ihren Fingern gesprudelt, ohne dass sie darüber nachgedacht hatte, was sie tat. Jetzt versuchte sie, sich genau an das Gefühl dabei zu erinnern, es in sich wachzurufen und den Vorgang einfach zuzulassen.
Ein Funken von Kraft erwachte in ihr und kurz durchströmte ein Gefühl der Leichtigkeit sie, bevor er wieder verschwand und sie erschöpft zurückließ. Dafür konnte sie den Wassertropfen zwischen ihren Augen nicht mehr spüren. Er war verschwunden.
Sayuri spürte, wie Aufregung in ihr hochstieg. Sie brauchte mehr Wasser, mehr von den Tropfen! Wieder fiel das kühle Nass auf ihre Haut, blieb prickelnd dort liegen. Gierig sog sie die Kraft aus den Tropfen, ließ sie verschwinden, formte sie in reine Magie um, die ihre Haut durchdringen konnte. Das Gefühl von Schwere wich aus ihren Gliedern.
Nun konnte sie eine Hand heben, tastete vorsichtig um sich, spürte feuchten Stoff, in den sie gewickelt war.
Freude breitete sich in ihr aus. Voller Begeisterung suchte sie nach mehr Wasser, das sie in sich aufnehmen konnte, aber ihre Haut war trocken. Die Decke, all die Feuchtigkeit, die zwischen den Fäden hing! In ihrem Inneren entstand ein Bild von der Decke und ihrem Körper. Sie konnte das Wasser wahrnehmen, streckte sich noch mehr, durchbrach die Wand des Bootes und griff nach dem Fluss. Die Berührung, die nicht einmal wirklich eine Berührung war, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. So unendlich viel Wasser!
Das Wasser um sie herum wandelte sich und reine Magie durchströmte ihren Körper. Es war ein wunderbares, leichtes Gefühl!
Blinzelnd schlug sie die Augen auf und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als Shios warmes Licht sie einhüllte. Sie waren nicht in absoluter Dunkelheit gefangen, auch wenn es um sie herum finster war.
»Sayuri!«
Marjes Ruf ließ Sayuri aufsehen. Ihr Kopf lag im Schoß ihrer Freundin, die sich an einem Bootsrand festklammerte. Erst jetzt spürte sie, wie ihr Gefährt von dem Wasser um sie herum mit sich gerissen wurde. Sie waren nicht mehr als ein Spielball der Wellen.
Plötzlich gab es einen heftigen Stoß und das Boot legte sich auf die Seite. Marje schrie auf.
Sayuri reagierte, ohne nachzudenken. Mit einer Handbewegung zog sie Wasser gegen die Planken und richtete das Boot wieder auf.
Kiyoshi saß keuchend zu ihren Füßen. Er hielt ein Paddel in den Händen, doch in seinem durchnässten, erschöpften Gesicht lag tiefe Hoffnungslosigkeit.
Marjes Stimme ließ sie herumfahren. Die schwarzen Locken klebten nass an ihrem Kopf und ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. »Du musst das Boot aufhalten«, rief sie gegen den Lärm des Wassers an. Ihre Hand hatte Sayuris umfasst, ohne dass das Mädchen es gemerkt hatte. »Sayuri!«
Marjes Hand hob sich dunkel von ihrer weißen Haut ab. Sayuri spürte das Wasser in ihr. Doch Marjes Körper war eine Barriere, Sayuri drang nicht zum Wasser durch.
Wieder glitt ihr Blick auf den reißenden Strom. Vorsichtig, fast zögernd streckte sie eine Hand aus.
»Sayuri, du musst …«
Kurz sah sie zu Kiyoshi auf, der mit zusammengebissenen Zähnen gegen den Fluss kämpfte.
Das Boot tanzte wie ein Ball auf den Wellen, wurde von ihnen hin und her geschleudert. Mit einem Krachen schlug es gegen eine Felswand.
Das Geräusch hallte in dem Tunnel wider. Erst jetzt begriff sie die Worte, die Marje ihr zurief. Und diesmal tauchte sie ihre Hand ins Wasser und ballte sie zur Faust.
Das Boot blieb stehen. Der Fluss wurde nicht ruhiger, aber es war, als könnte er das Boot plötzlich nicht mehr bewegen. Die Nussschale, die von den Wellen hin und her geschleudert wurde, war zu einem Fels in der Brandung geworden.
Ein tiefer Seufzer entrang sich Marje und Sayuri spürte die nassen Arme ihrer Freundin, die sie umfingen.
Kiyoshi legte vorsichtig das Paddel vor sich ins Boot. Mit einer Hand strich er sich die nassen Haare aus der Stirn. Sein Atem ging stoßweise. »Das wurde auch höchste Zeit«, sagte er mit einem Anflug eines Lächelns. »Ich dachte schon, du lässt uns hier ertrinken.«
Stumm schüttelte Sayuri den Kopf und setzte sich gänzlich auf. Die Decken rutschten von ihren Schultern und sie streckte sich. Sie fühlte sich, als hätte sie sehr lange geschlafen. Genussvoll dehnte sie ihre Glieder und spürte, wie Leben in sie kam.
»Ach, Sayuri!« Das schmale Boot hinderte Marje an einer richtigen
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