Sayuri
kümmerte, bräuchten sie den Schutz der Shaouran nicht länger. Vor mehr als zehn Jahren hatte der Krieg die beiden Rassen getrennt und die Wüste zwischen ihnen geschaffen. Noch immer waren die Menschen nicht bereit, einen Shaouran auf ihrem Hof zu dulden, und die Shaouran auf der anderen Seite der Wüste akzeptierten keine Menschen unter sich. Nur als Außenseiter, als Verstoßener wurde man eine Weile geduldet, bis man wieder fortzog und den Sternen folgte.
Suieen legte nachdenklich den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen auf, die sich langsam immer deutlicher am Himmel abzeichneten. Wie dumm die Menschen doch waren! Jetzt, wo der Kaiser den Bauern Schutz gewährte, grenzten sie sich sogar schon von den Zentauren und Greifen ab, behaupteten, sie kämen besser ohne sie klar. Doch in Wahrheit verschlechterte sich ihre Situation mit jedem Jahr. Jedes Jahr wurden die Söldnerclans, die der Krieg hervorgebracht hatte, ein wenig stärker und tyrannisierten die Bauern ein wenig mehr. Zu Horden zusammengerottet zogen sie durch das Land, überfielen Karawanen und griffen die Bauern an, erpressten von ihnen Schutzgeld oder nahmen sich einfach, was sie brauchten.
Zumindest war es am Anfang so gewesen. Inzwischen hatten sich die Stärksten und Klügsten an ihre Spitze gesetzt. Diese Männer kannten die Orte, an denen die Wüste noch Schätze barg, und raubten dem Boden wertvolle Steine und Kristalle, um sie zu verkaufen. Sie richteten sich mit dem Geld ihre eigenen Dörfer ein und nahmen das umliegende Land in Besitz.
In letzter Zeit hatte sich der Clan der Nordmine besonders hervorgetan. Suieen versuchte möglichst, eine Begegnung mit den Kriegerscharen zu vermeiden. Zu verbittert waren sie ob des verlorenen Kriegs und ganz erfüllt vom Hass auf ihre Feinde, dass sie sich auch nicht mehr dem Kaiser zuordneten, der sie ihrer Meinung nach im Stich gelassen hatte.
»Du solltest schlafen«, schnurrte Yuuka leise. »Morgen haben wir einen weiten Weg vor uns.«
Suieen nickte. Seine Wasservorräte waren fast vollends aufgebraucht. Einige der Quellen waren zwar wieder erwacht, aber Suieens Wasservorräte reichten nicht mehr, um die nächste von ihnen zu erreichen. Er und Yuuka würden die Kaiserstadt aufsuchen müssen, auch damit Suieen seine inneren Reserven auffüllen konnte.
Wie jede Wasserquelle war die Quelle der Kaiserstadt von Magie umgeben. Nur wenige Minuten in ihrer Nähe reichten schon, um ihn mit frischer Kraft zu erfüllen.
Er faltete seine Hände im Schoß und schaute auf sie hinab. Seine Finger waren lang und schmal, viel schmaler als Menschenhände, so wie er insgesamt hagerer war als Menschenkinder seines Alters. Viele unterschätzten ihn deshalb und bereuten es bitter, wenn sie seine Kraft zu spüren bekamen.
Eine Flamme entfachte sich in seinen Händen und flackerte im Wind, bis er sie so groß gezogen hatte, dass sie sich gegen die Windkraft behaupten konnte. Die Wärme des Feuers prickelte angenehm auf der Haut, fühlte sich wie ein wohliger Schauer, ein sanftes Streicheln an.
Suieen schloss die Augen. Der Gedanke an den morgigen Tag ließ ihn schaudern. Er konnte den Menschen nicht viel anbieten, um Wasser bei ihnen zu kaufen. Seine Fähigkeiten konnten ihm dabei zwar behilflich sein, aber das war ein gefährliches Unterfangen, zudem war er bereits sehr geschwächt. Die Wachen an den Stadttoren waren ihm genauso unsympathisch wie die Söldnerclans. Er würde sehr vorsichtig und schnell sein müssen, denn er durfte keinesfalls riskieren, dass sie ihn als Mischling erkannten.
Yuuka spürte seine Unruhe und hob den Kopf.
»Schlaf«, mahnte sie. »Ich halte Wache.« Zärtlich rieb sie ihren Kopf an seiner Schulter und zog ihn zwischen ihre Vorderpranken. »Die Sterne stehen günstig. Morgen kriegen sie uns nicht.«
Suieen erwachte mit den ersten Sonnenstrahlen und war sofort hellwach. Yuuka reckte sich. Wahrscheinlich hatte sie die ganze Nacht aufgepasst, ob der Bauer ihren Spuren gefolgt war. Früher war es den Menschen nie die Mühe wert gewesen, die beiden zu verfolgen, wenn sie ihre Vorräte bei ihnen aufgestockt hatten, inzwischen wurden sie regelrecht gejagt.
Doch Suieen hatte mittlerweile andere Sorgen. Der Wind musste in der Nacht stärker geworden sein. Yuuka konnte den Sand leicht aus ihrem Fell schütteln und strich mit ihren Schwänzen ihr Haarkleid sauber. Er hingegen konnte zwar den Mantel kurz ausziehen, um ihn auszuschütteln, aber der Sand drang durch jede Ritze, jede Naht, jede
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