Sayuri
Stadt in die Wüste hinaus?«, fragte ihn plötzlich der Rothaarige. Spott klang in seiner Stimme. »Oder hat Miro dich auch verbannt? Hat er vergessen, dass du schon zu alt bist?«
Sein Freund lachte, aber Kiyoshi riss sich zusammen, um nicht unwirsch auf die Stichelei zu reagieren. Wenn er hier draußen überleben wollte, sollte er sich besser keine Feinde machen. »Mein Onkel und ich waren unterschiedlicher Meinung«, antwortete er wahrheitsgemäß und versuchte abermals, sich aufzurichten. Endlich gelang es ihm und er rutschte ein Stück zur Seite, sodass er sich gegen das Gitter und den Körper des Lasttieres lehnen konnte.
»Unterschiedlicher Meinung«, äffte der Junge ihn nach.
»Und da ist er weggelaufen«, stichelte sein Freund.
Kiyoshi seufzte innerlich. Wie sollte er ihnen nur beweisen, dass er auf ihrer Seite stand? Sie hassten ihn und hatten damit nicht mal unrecht. Schließlich hatte sein Onkel ihr Leben zerstört.
»Hört auf!« Das Mädchen runzelte die Stirn. »Schließlich sitzen wir alle im selben Boot.«
»Auf einem Wüstenschiff«, konterte der kleinere der beiden Jungen, »das trifft es wohl eher.«
Bei dem Gedanken an ein Boot in der Wüste musste Kiyoshi matt grinsen. Er wusste, dass die Karawanenführer ihre Lasttiere als Wüstenschiffe bezeichneten. Doch dort, wo es früher einmal Meere gegeben hatte, gewaltige Wassermassen, die bis zum Horizont reichten, waren diese nun Sandmassen gewichen.
Die Sonne wanderte über den Himmel und begann ihren allabendlichen Abstieg im Westen. Immer ungeduldiger trieben die Söldner den Trupp an, schlugen mit ihren Peitschen nach den Lasttieren und versetzten die Tiere in einen Trab, der die Käfige regelrecht durchschüttelte.
Das Tier, das ihren Käfig trug, brach aus der Schlange aus und lief einige Schritte weiter nach vorne. Erst jetzt konnte Kiyoshi erkennen, dass der Zug fast fünfzehn dieser Geschöpfe umfasste und ein jedes mit Gepäck und Käfigen beladen war. In den meisten saßen Menschen wie sie, aber einige wenige beherbergten Geschöpfe, die Kiyoshi bisher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. In einem Käfig bäumte sich ein Greif auf, versuchte, seine Flügel zu strecken, und stieß einen klagenden Schrei aus, bevor er sich wieder auf den Gitterboden seines Käfigs sinken ließ. Einer seiner Hinterläufe, die in schlanken Hufen endeten, rutschte durch das grobmaschige Gitter und nur unter lauten Schmerzensrufen konnte er sich aus der misslichen Lage befreien. Die scharfen Vorderklauen hatten die Echsenreiter mit Lederriemen zusammengebunden und die Krallen abgeschliffen.
Kiyoshi beobachtete staunend das magische Geschöpf, das sich nun wieder aufrichtete, um erneut mit dem Schnabel nach den Gitterstäben zu hacken, bis die Peitsche eines Reiters gegen den Käfig knallte und den Greif erschrocken zurückfahren ließ.
Ihr Lasttier reihte sich wieder in die Karawane ein. Es schien die Peitschenhiebe kaum zu spüren, genauso wenig wie die schwere Last, die es auf seinem breiten Rücken zu tragen hatte. Der grobe, zottelige Kopf schwankte träge bei jedem Schritt. Doch Kiyoshi hatte die Geschöpfe unterschätzt; das Tempo, das die Echsenreiter nun forderten, hätte er den Lasttieren nicht zugetraut, ihre breiten Füße hoben sich jedoch immer schneller.
Das Sitzen in den Käfigen wurde nahezu unerträglich. Immer wieder wurden sie in die Höhe geschleudert und mussten sich an den Gitterstäben festhalten, um nicht gegeneinanderzuprallen. Kiyoshi konnte jeden einzelnen Muskel seines Körpers spüren und die Schmerzen raubten ihm fast erneut das Bewusstsein. Als das Schaukeln und Rütteln endlich ein Ende hatte, zitterte Kiyoshi am ganzen Körper.
Plötzlich kippte der Käfig auf einer Seite in die Tiefe, als das Lastentier die Vorderbeine streckte und sich auf den Boden hinabließ, bis das Gitter auf dem Wüstenboden aufsetzte.
»Tja, wenigstens sind wir noch ganz«, stellte Jailyn düster fest.
»Mit der Betonung auf noch«, ergänzte der Rothaarige nur. Kiyoshi schwieg und beobachtete, wie die Echsenreiter ihre Gefangenen aus den Käfigen trieben.
Dann sprang ein Reiter neben ihrem Käfig ab und öffnete die Klappe. »Raus!«, befahl er mit rauer Stimme.
Während Kiyoshi sich mühsam auf die Beine kämpfte, hatten die anderen drei den Käfig bereits verlassen. Unsicher tat er einen Schritt und sofort wurde ihm schwindelig. Der Reiter begann bereits, wild mit seiner Lanze zu gestikulieren. »Mach schon!«, schimpfte er und stieß
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