Sayuri
ihm die Spitze seiner Lanze in die Seite.
Der Kleinere der beiden Jungen half ihm aus dem Käfig und hielt ihn grob am Arm fest, damit er nicht zusammensackte. Mit schmerzverzerrten Gesichtern stolperten sie um das Lasttier herum und blieben wie erstarrt stehen, als ihr Blick auf das Lager fiel.
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages erreichten zwar noch die Anhöhe, auf der sie standen. Das Tal, das sich vor ihnen erstreckte, lag aber bereits im Schatten. Lang gezogene, rußfarbene Baracken drängten sich dicht an dicht, dazwischen waren schmale Trampelpfade zu erkennen. Um die Baracken waren Türme errichtet, auf denen schwarz gekleidete Männer Wache hielten. Ein großer Platz, der an eine Arena erinnerte, erstreckte sich direkt unter ihnen; terrassenförmige Stufen aus massivem Fels führten von der kreisrunden Mitte in die Tiefe. Über dem Tal hingen Rauchschwaden und das Hämmern von Metall auf Metall hallte zu ihnen herauf.
Jailyn schluckte schwer. Stumm deutete sie auf Löcher im Sandboden, aus denen Menschen hervorkrochen und sich in Schlangen einreihten, um dann in kleinen Gruppen zu den Baracken zu gehen.
Die Echse des Reiters, der sie aus dem Käfig geholt hatte, zischte. Die Lastentiere wurden die Anhöhe hinabgeführt, während die Essjiar bei ihren Herren blieben, die ihnen die Zügel abnahmen.
Eine Peitsche knallte und der Rothaarige schrie auf, als er getroffen in den Sand stürzte. Jailyn griff nach seinem Arm, um ihm aufzuhelfen.
»Los, runter mit euch!«, befahl einer der Reiter und seine Echse schnappte nach den Gefangenen. Hastig drängte sich der Pulk der neuen Sklaven den schmalen Pfad zum Lager hinab.
5. Kapitel
F ass sie nicht an!«
Sayuri hielt mitten in der Bewegung inne. Verwundert drehte sie sich um, den Kopf leicht schief gelegt, eine stumme Frage in den Augen. Suieen spürte auch Marjes fragenden Blick und ihr leises Misstrauen, das sie zu verbergen versuchte. »Die Bäume sind gefährlich«, erklärte er.
Die hohen blattlosen Stämme wirkten wie die Skelette von Bäumen, die einmal wunderschön gewesen sein mussten. Ihre raue Rinde war an vielen Stellen aufgebrochen, als wäre sie unter dem brennenden Licht der Sonne aufgeplatzt. Aus jeder dieser Wunden tropfte dickflüssiger dunkler Saft hervor. Die dürren Äste knarrten im heißen Wüstenwind.
»Wie können hier überhaupt Bäume wachsen?«, fragte Marje.
»Die Bäume ziehen Wasser aus der Luft und aus den tiefen Bodenschichten«, erklärte Suieen. »Ihre Rinde hält dem Sonnenlicht stand und wandelt es in Energie um.«
»Und warum sind sie gefährlich?«, fragte Marje weiter. »Es sind doch nur Bäume.«
»Alte Bäume, uralte Bäume, die vieles überdauert und sich immer wieder neuen Gegebenheiten angepasst haben«, widersprach Suieen. »Sie sind noch von alter Magie durchwirkt. Wer sie nicht kennt, sollte sie besser nicht herausfordern.«
Mit ehrfürchtigem Blick sah Marje zu den kargen Kronen auf.
Sie schienen ihr wenig eindrucksvoll im Vergleich zu den Bäumen im Palastgarten.
»Ruf sie! Wir brauchen ihre Hilfe«, erklang plötzlich Yuukas Stimme. Die Katze saß gelassen zwischen einigen Bäumen, als hätte sie schon eine Weile dort verweilt. Tatsächlich war sie aber erst in diesem Moment eingetroffen. Ihre Schwänze rollten sich um ihre Tatzen und die Wurzeln eines alten Baumes. »Die Söldner sind mit ihren Gefangenen zur Nordmine«, fügte sie erklärend hinzu.
Suieen nickte und sah seine Gefährtin dankbar an. Sie musste weit gelaufen sein, um sicherzugehen, wohin die Spuren führten. Vorsichtig trat er an einen der Bäume heran und legte die Hand auf eine klaffende Wunde in der Rinde. Kurz spürte er die magische Barriere, doch wenige Augenblicke später enthüllte der Baum ein Netz aus Magiesträngen, das wie dünne Spinnweben die Bäume untereinander verband. Die Fäden waren so dünn, dass man sie kaum spürte, wenn man durch sie hindurchtrat. Im richtigen Licht mochten sie zu sehen sein wie ein Spinnennetz im Morgentau, aber jetzt waren sie fast unsichtbar.
Vorsichtig tastete er sich durch das bläulich schimmernde Netz, darum bemüht, den Aufenthaltsort der Zentauren zu finden. Immer wieder musste er einen neuen Weg wählen, wenn die Verbindung zu schwach wurde oder abriss. Wie zwischen den beiden letzten großen Quellen versickerte die Magie auch in den Zentaurenwäldern langsam, aber sicher und würde bald ganz verschwinden.
Suieen fragte sich, was mit den Wäldern passierte, wenn die Magie ganz
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