SB 121 – Mission Zeitbrücke
hölzernen Säulen getragene Veranda lief rings um das Obergeschoss. Der Regen hatte die Zecher aus der Arkade vertrieben, alle hielten sich im Innern des Erdgeschosses auf. Misstönende Musik drang durch die offenen Fenster.
Für Mallagans Vorhaben hätten die Gegebenheiten nicht günstiger sein können. Zwar gab es keinen Aufstieg, der außen zum Obergeschoss hinaufführte, jedoch boten die Säulen eine gute Kletterhilfe. Geräusche würden ihn nicht verraten, denn der Lärm aus der Kneipe war ohrenbetäubend.
Scoutie und Brether Faddon verkrochen sich in einem Gebüsch. Mallagan trug ihnen auf, sich auf keinen Fall von der Stelle zu rühren – es sei denn, er rief nach ihnen, oder es gab eindeutige Anzeichen dafür, dass er sich in Gefahr befand. Dann machte er sich an den Aufstieg.
Bis auf die Veranda hinauf reichte das Streulicht nicht. Es war finster dort oben, und Mallagan fiel es vorübergehen sogar schwer, Fenster und Türen von der verwitterten Holzwand zu unterscheiden. Die Luft war unerträglich schwül.
Mallagan betastete einen Fensterrahmen und fand, dass das Fenster nur durch einen Vorhang verschlossen war. Er schob den schweren Stoff beiseite in der Hoffnung, innen irgendwo Licht zu sehen. Aber die Finsternis war allgegenwärtig. Er kletterte über den niedrigen Fenstersims und wünschte sich, er hätte eine Lampe mitgebracht.
»Neriduur, ich komme im Auftrag eines Freundes«, sagte er laut.
Die Finsternis antwortete ihm nicht. Vor ihm waren nur Stille und Dunkelheit. Er stieß gegen einen niedrigen Tisch und wich zur Seite hin aus. Schließlich erreichte er einen Korridor und tastete sich weiter. In regelmäßigen Abständen wiederholte er seinen Satz, mittlerweile wie ein abgeleiertes Gebet.
Die Wand zu seiner Linken sprang zurück. Von irgendwoher kam ein verirrter Lichtstrahl und verriet die Umrisse einer mächtigen Gestalt. Ein zyklopenhaftes Auge glitzerte tückisch. Surfo prallte zurück.
Aus der Tiefe des Hauses kam ein keckerndes, seniles Kichern. Helligkeit flammte auf. Mallagan starrte in eine Nische auf der anderen Seite des Korridors. Die Statue dort war die Missgeburt eines Kranen: verwachsene Schultern, grotesk verkrümmte Arme, ein zahnloser Mund mit schlaff herabhängendem Unterkiefer und ein einziges triefendes Auge auf der Stirn. Das Standbild wirkte atemberaubend lebensecht.
Das Kichern kam näher. Am Ende des Korridors erschien eine zwergenhafte Gestalt, nicht einmal einen Meter groß, mit einem schmutzig grauen Pelz, aus dem büschelweise die Haare ausgefallen waren. Das Wesen hatte einen stechenden Blick. Ein verwachsener Nagezahn hatte die Unterlippe durchbohrt. Die Finger an den winzigen Händen endeten in Krallen, die schon sehr lange keine Schere gesehen hatten.
»Hat Zapelrow dich erschreckt?«, fragte der alte Prodheimer-Fenke spöttisch.
Mallagan musterte das Standbild und konnte sich eines Schauders nicht erwehren. »Zapelrow?«, fragte er. »Du meinst, diese Statue stellt einen der Herzöge von Krandhor dar?«
Die Frage schien den Alten köstlich zu amüsieren. »Ich weiß es wirklich nicht – was die reine Optik angeht«, antwortete er. »Ich hatte nie das Vergnügen, einen der Herzöge zu sehen. Aber nach seinen Taten und Ansichten zu urteilen, müsste Zapelrow etwa so aussehen.«
Es lag auf der Hand, dass Neriduur für die Machthaber von Krandhor keine große Sympathie empfand. Mallagan hingegen spürte wenig Neigung, sich auf politische Debatten einzulassen. »Ich bewundere deine Kunst«, sagte er aufrichtig. »Aber dieses Ungeheuer flößt selbst dem Furchtlosesten Entsetzen ein, wenn es ihm in der Dunkelheit begegnet.«
Der Prodheimer-Fenke wurde ernst. »Du bist Surfo Mallagan, der Betschide, nicht wahr?«
»So ist es. Clazzence hat mich hierher gebracht.«
Neriduur wiegte den Kopf. Mallagan hatte nie vorher einen Prodheimer-Fenken mit Halbglatze gesehen. »Hierher gebracht würde ich das nicht nennen«, sagte der Alte spöttisch. »Eher abgeladen.«
»Du hast uns beobachtet?«
»Und ich bin beeindruckt. Der Gardist hat euch nicht aussteigen sehen. Er wird Clazzence weiter unten am Kanal aus irgendeinem Vorwand anhalten und feststellen, dass er sich auf der falschen Spur befindet.«
»Es beunruhigt dich nicht, dass Clazzence verfolgt wird?«, fragte Mallagan.
Der Prodheimer-Fenke machte eine ungewisse Geste. »Unruhe ist ein Bestandteil unseres Berufs. Und wenn ein Jäger wie Barkhaden im Lande ist, dann muss jeder froh sein, wenn er
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