SB 121 – Mission Zeitbrücke
Südseite lag die Fassade noch im Dunkeln.
»Es tut mir leid um den Wirt«, sagte Neriduur. »Glücklicherweise verliert er nur ein paar Utensilien. Der größte Teil der Einrichtung und das Gebäude gehören mir. Die Versicherung wird sich ins Fäustchen lachen. Wenn sie sich daranmacht, für den Schaden zu zahlen, wird der Geschädigte nirgendwo mehr zu finden sein.«
Mallagan wusste nicht, was ihn mehr bedrückte, die Sorge um die Gefährten oder die langatmige Geschwätzigkeit des Alten. Er klemmte sich das Paket unter den Arm und stieg durchs Fenster hinaus auf die Veranda. Wenn jemand diese Seite des Hauses vom Kanal aus beobachtete, mussten die Flammen ihn blenden. Er ließ das Paket in die Tiefe fallen und schwang sich hinterher. Bei den Booten herrschte Tumult. Die Zecher versuchten, sich schnell in Sicherheit zu bringen. Surfo lief zu dem Gebüsch, in dem die Gefährten warteten. Neriduur war unmittelbar hinter ihm.
»Dem Himmel sei Dank ...!«, fuhr Scoutie auf, als sie Mallagan erblickte. Sie verstummte sofort wieder, als auch der Prodheimer-Fenke erschien.
»Wartet hier!«, zischte Neriduur. »Ich habe mein eigenes Boot in der Nähe liegen. In dem Durcheinander bemerkt mich niemand.«
Das Feuer hatte inzwischen auf die östlichen Gebäudebereiche übergegriffen. Die Vorhänge in den Fensteröffnungen des Obergeschosses gerieten in Bewegung. Rauch quoll aus den Fensterhöhlen. Den Betschiden wurde es in ihrem Versteck allmählich unbehaglich.
Ein lang gestrecktes Boot schob sich am Ufer der Insel entlang. Ein schmaler Landesteg erschien von irgendwoher und fand im Sand Halt. Scoutie eilte in geduckter Haltung hinüber. Ihr folgte Brether Faddon, und den Abschluss machte Mallagan, der das Paket trug.
Der Steg wurde sofort eingezogen. In der geräumigen Kajüte saß Neriduur an den Kontrollen und steuerte das Fahrzeug nach Westen, mitten hinein ins Gewühl der Fliehenden. Der Feuerschein reichte weit. Aus der Ferne klang Sirenengeheul heran. Löschboote waren unterwegs, sie würden aber zu spät kommen, denn das hölzerne Gebäude brannte bereits lichterloh. Neriduur wich den im Wasser Schwimmenden aus. Ihnen drohte keine Gefahr, das Kanalufer war nahe.
Auf das Ufer hielt auch Neriduur zu. Der Alte ließ das Boot mehrere Hundert Meter nach Westen treiben, dann steuerte er es in die Mündung eines Seitenkanals, wendete und verhielt mit schwach laufendem Triebwerk gegen die Strömung an Ort und Stelle.
Stumm blickte Neriduur hinaus. Ein paar Löschboote waren inzwischen am Brandort eingetroffen, doch es gab kaum mehr etwas zu tun. Das große Haus war in sich zusammengesunken, Funken stoben auf. Wuchtige Gebläse heulten auf und tränkten die Glut mit halb flüssigem Stickstoff.
Dann kamen zwei weitere Boote: groß, schlank, schnittig. Sie näherten sich der Szene, als wären sie von zufällig vorbeikommenden Schaulustigen bemannt. Doch der Schein trog. Hätte es sich nur um Neugierige gehandelt, wären sie von der Löschbrigade verjagt worden. Mallagan bemerkte, dass eines der Boote an der Insel anlegte, während das andere auf dem Kanal kreuzte.
»Da sind die Schnüffler«, sagte Neriduur ohne Bitterkeit. »Ich wette, Barkhaden war der Erste, der an Land ging.«
Er kehrte zum Schaltpult zurück. Niemand schenkte dem Fahrzeug Beachtung, als es der Insel gegenüber am südlichen Kanalufer langsam in Richtung Stadtmitte glitt. Die Glut war fast erloschen, nur noch ein fahler orangeroter Widerschein hing in der Luft.
»Das Ende einer Ära«, sagte Neriduur traurig.
19.
Träge trieb das Boot in der Strömung. Der Morgen brach an, am Horizont schimmerte der erste ferne Abglanz des neuen Tages. Zur Rechten kreisten noch die beiden Monde Herkeys und Andor um ihren gemeinsamen Schwerpunkt.
Die Stadt blieb zurück, ihr Glanz erlosch allmählich. Am linken, östlichen Ufer des mächtigen Flusses ragte eine Erhebung auf. Durch tropische Vegetation schimmerten Lichter und die Umrisse eines Gebäudes, das mehr ein Schloss als ein Haus sein musste. Ein Kanal stieß durch die Böschung, die das Ufer des Torstyl bildete. Neriduur lenkte sein Boot dort hinein.
Mauern ragten zu beiden Seiten auf. Nach einer Weile schlossen sie sich über dem Boot und wurden zum Tunnel. Der alte Prodheimer-Fenke drosselte das Triebwerk. Am Ende des Kanals kam das Boot zur Ruhe.
Neriduur führte seine Begleiter eine hell erleuchtete Rampe aufwärts. Ein Antigravschacht trug sie schließlich ins Gebäude hinauf, und sie betraten
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