SB 122 – Gefangene der SOL
schneller, wo der Alarm ausgelöst worden war.
Der High Sideryt rannte los. Für Erklärungen war keine Zeit.
Zufällig hatte Tanwalzen schon mit dem allerersten Blick gesehen, was Mallagan getan hatte oder hatte tun lassen.
Die Atmosphäre entwich aus dem Bereich um die Zentrale. Genau dort, wo die bewusst mit mutierten Kleinstlebewesen angereicherte Luft neue Probleme simulierte. Mallagan hatte die Vorrichtung aufgespürt und die Verbindung öffnen lassen. Das Loch war nicht groß, trotzdem blieb nicht mehr viel Zeit.
Tanwalzen erreichte das nächste Schott zwischen der bedrohten Sektion und der Zentrale. Wenn er dieses Schott von Hand schloss, war die Zentrale von dieser Seite gesichert.
Dann entdeckte er die reglos am Boden liegende Gestalt. Ein Ai, vielleicht war er tot. Tanwalzen hastete zu dem Mann hinüber. Seine Haut prickelte bereits, die Luft wurde dünn.
Noch drohte nicht die Gefahr, dass er erstickte. Schlimmer war, dass der rapide fallende Luftdruck den Siedepunkt von Flüssigkeiten senkte. Das hieß für den menschlichen Körper, dass die im Blut gelösten Gase, Stickstoff zuallererst, ausperlten und in Form kleiner Gasbläschen die Blutgefäße verstopften.
Tanwalzen bekam den Ai zu fassen. Seine Gelenke schmerzten bereits; der Druckmangel machte sich hier zuerst bemerkbar.
Mit letzter Kraft schleppte Tanwalzen den bewusstlosen Ai aus der Gefahrenzone. Auf der anderen Seite des Schotts ließ er den Körper fallen, und er schaffte es gerade noch, den Verschluss zu betätigen, bevor er selbst ohnmächtig in sich zusammensackte.
»Ich wundere mich ein wenig«, sagte der Herzog.
Nachlässig spielte er mit dem Kushan, der neben ihm auf dem Boden lag und seine silbernen Krallen beleckte. Es gehörte Mut dazu, ein solches Haustier zu halten. Ohnehin waren die Herzöge von Krandhor keine Feiglinge; jeder hatte sich zahllose Male bewährt.
»Wen wundert es in dieser wundersamen Zeit?«, erklang die zögernde Reaktion auf Zapelrows Feststellung.
Die Bildübertragung war vorzüglich, die Farben kamen klar und frisch. Nur in der rechten unteren Ecke war das Bild dunkel – dort stand das Symbol des Orakels, das sich jederzeit hätte einschalten können. Das Gespräch zwischen den Herzögen Gu, Carnuum und Zapelrow war offizieller Natur und wurde daher über Amtsleitung abgewickelt.
Herzog Zapelrow machte eine unwillige Geste. »Es sollte längst gesichtet worden sein«, sagte er heftig. »Der Zeitplan steht seit Langem fest. Ich wundere mich tatsächlich, dass der Kommandant sich noch nicht bei uns gemeldet hat.«
Herzog Gu machte ein Gesicht, das Optimismus zeigte. »Es kann verschiedene Gründe geben, warum Kommandant Tomason schweigt«, sagte er freundlich. »Defekte sind die einfachste Erklärung.«
»Defekte am Spoodie-Schiff?«, begehrte Carnuum auf. »Das hätte uns gerade noch gefehlt.«
»Tomason wird sich melden«, vertröstete Zapelrow die Kollegen. »Er ist, wie wir alle wissen, die Zuverlässigkeit selbst.«
»Pah«, antwortete Herzog Carnuum unwillig. »Und warum funkt er uns nicht wenigstens an?«
»Es gibt viel zu tun, bevor das Spoodie-Schiff feierlich landet«, sagte Zapelrow. »Möglich, dass Arbeiten liegen geblieben sind, die Tomason erst erledigt haben will, bevor er sich mit uns in Verbindung setzt.«
Die Herzöge schwiegen.
Was sie bedrückte, war nicht allein die Tatsache, dass das Spoodie-Schiff ausblieb – obwohl es noch nicht überfällig war. Etwas lag in der Luft, eine Gewitterschwüle, die auf den Gemütern lastete, ohne dass sie dagegen hätten einschreiten können. Sie wussten, dass es an Bord des Spoodie-Schiffs ein Problem von unerhörter Brisanz gab. Bislang hatte nicht einmal das Orakel eine Lösung gefunden. Die Sache war so heikel, dass davon nur selten und geheimnisvoll gesprochen wurde.
»Ob an Bord etwas nicht stimmt?«, fragte Gu halblaut. »Ihr wisst, was ich meine ...«
Die anderen schwiegen.
»Wir machen uns gegenseitig verrückt«, sagte Zapelrow. »Wir sollten nicht kleinmütig denken, auch jetzt nicht.«
Ein Roboter kam und übergab Herzog Gu eine Notiz. Gu überflog die Meldung, sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Ich erfahre, dass das Schiff einen kleinen Aufenthalt hatte«, sagte er. »Es hat wie geplant die Passagiere an Bord genommen.«
Die Herzöge seufzten erleichtert, denn die Zeiten waren nicht günstig – besonders nicht für das Spoodie-Schiff. Es trug ein Geheimnis, von dem nur wenige im Herzogtum wussten.
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