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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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erlaubt hatte. »Ach ja, richtig«, sagte sie. »Sie sind der Sohn von Josephine Washington.«
    »Der bin ich.«
    »Muss nett sein, eine Mutter zu haben, die im Exekutivkomitee der Stadt sitzt«, sagte Lo.
    »Ja, das ist gar nicht schlecht.«
    »Bei den letzten Wahlen habe ich für Ihre Mutter gestimmt«, sagte Lo.
    »Ich werde es ihr sagen, wenn ich wieder zu Hause bin«, sagte ich.
    »Ich hoffe, Sie verstehen, Mr. Washington, dass die Stellung und der Einfluss Ihrer Mutter Ihnen hier keine Hilfe sein wird«, sagte Lo. »In dieser Stadt werden Arbeitsplätze nach Leistung und nicht auf der Basis von Vetternwirtschaft zugeteilt.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »’tschuldigung. Wegen der Monitorsache, meine ich. Ich wollte nur einen Witz machen.«
    Lo sah mich eine Weile an. Daraufhin beschloss ich, auf weitere Witze zu verzichten. »’tschuldigung«, sagte ich noch einmal.
    »Nun gut, dann wollen wir jetzt zur Sache kommen«, sagte sie und tippte auf ihr Pad. Der Wandmonitor erwachte zum Leben und zeigte Tausende von kleinen Textfenstern. Sie deutete auf die Wand und sah dann wieder mich an. »Wissen Sie, was das ist?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Das ist eine Darstellung sämtlicher Arbeitsstellen, die derzeit in New St. Louis verfügbar sind«, sagte Lo. »Alles vom Neurochirurgen bis zum Hausmeistergehilfen. Im Moment sind es ungefähr eintausend Jobs. Es sind Live-Daten, also können Sie verfolgen, wie einige Angebote verschwinden, weil sie besetzt wurden, und andere auftauchen, weil sie soeben online gestellt wurden.«
    Ich blickte wieder auf und sah mir die Sache etwas genauer an. Mit den Live-Daten hatte sie Recht. Während ich zusah, schloss sich ein Textfenster. Irgendwo in New St. Louis hatte jemand einen neuen Job als Krippenleiter und sollte auf Horden von hyperaktiven zweijährigen Kindern aufpassen, während ihre Eltern bei der Arbeit waren.
    »Wie Sie zweifellos von Ihrer Mutter wissen, hat New St. Louis eine verwaltete Vollbeschäftigungswirtschaft«, sagte Lo. »Jeder Erwachsene, der in NSL lebt, ist zur Arbeit verpflichtet, und alle freien Stellen werden, so weit möglich, intern besetzt. Jeder Neuzugang zur Arbeitnehmerschaft von NSL, sei es durch Immigration oder nach Abschluss des NSL-Schulsystems, ist verpflichtet, an mehreren Eignungstests teilzunehmen, die uns helfen sollen, der betreffenden Person einen ersten Arbeitsplatz zuzuweisen.«
    »Richtig«, sagte ich und erinnerte mich an die Tests, die ich hasste.
    Als Erstes nahmen sie einem zwei Lebenstage weg, nachdem man bereits sein Schulzeugnis in der Tasche hatte. Zu anderen Zeiten war ein Highschool-Diplom das Einzige, was man für einen Job brauchte – nicht unbedingt gute Jobs, wie meine Mutter betont hatte, aber immerhin -, doch hier in New St. Louis bedeutete ein Schulabschluss nur, dass man befugt war, an den Eignungstests teilzunehmen.
    Also zwei Tage. Der erste Tag bestand aus einer Wiederholung von Mathe, Naturwissenschaft, Geschichte, Literatur und anderen Schulfächern. Was mir als pure Zeitverschwendung vorkam. Gut, es ist nett, sich an die ganzen Dinge zu erinnern, die man im Kopf hatte. Aber selbst wenn man sich nicht erinnerte, war alles, was man über irgendetwas wissen musste, nur eine Datenbankrecherche entfernt, und das schon seit Jahrzehnten. Und in der realen Welt tendierte die Gefahr, dass man gerade kein Mini-Terminal in der Tasche hatte und wissen musste, wann New St. Louis gegründet worden war oder was es im Einzelnen mit ökologischen und ökonomischen Aspekten der »footprint-neutralen« Philosophie der Stadt auf sich hatte, tendierte gegen null.
    Ich sehe mich selbst als praktisch denkenden Menschen, und in praktischer Hinsicht sind all diese Gedächtnisleistungen für mich lediglich sinnlose Beschäftigungen. Ich weiß, dass sich mit einer Abfrage alles in Erfahrung bringen lässt, und ich sehe nicht ein, warum ich meinen Kopf mit allen möglichen Dingen vollstopfen soll.
    Aber das heißt nicht, dass ich absolut verblödet bin. Ich hatte tatsächlich ein wenig Zeit darauf verwendet, vor den Eignungstests mein Grundwissen aufzufrischen. Und da ich mir keinen übermäßigen Stress machen wollte, sorgte ich dafür, dass ich davor einen netten Abend hatte. Ich glaube daran, dass Entspannung der Schlüssel ist. Was meine Mutter wahrscheinlich anders sieht. Und Leah wohl auch.
    Der erste Tag war ärgerlich, doch der zweite war einfach nur rätselhaft. Er bestand aus mehreren Gesprächen mit einer rotierenden Horde von

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