Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
und genauso sauber wie normales Wasser. Psychologisch gesehen wollte ich mich nicht mit Wasser waschen, das nur eine Filterstufe von den Nieren von jemand anderem entfernt war.
»Fünf Minuten«, wiederholte Mutter. »Und bilde dir nicht ein, dass ich es vergesse. Du wirst diesen Termin auf keinen Fall verpassen, Benji.«
»Ich werde ihn nicht verpassen«, sagte ich und stellte das Wasser an.
»Ich weiß, denn ich werde dich an den Haaren hinschleifen, wenn es nötig ist.« Sie ging. Dann sah ich, wie Syndee mich schadenfroh angrinste.
»Hättest aufstehen sollen, als ich es dir gesagt habe«, bemerkte sie.
»Verpiss dich«, forderte ich sie auf. Sie grinste noch mehr und stolzierte dann davon. Ich zog mir die Unterwäsche aus und trat in die Dusche. Dort blieb ich so lange, bis der Schwefelgeruch mir verriet, dass Mutter auf den Grauwassertank umgeschaltet hatte. Dann seifte ich mich ein, spülte mich ab und beendete die Dusche.
Zehn Minuten später stand ich am Bordstein und wartete darauf, dass mindestens eine weitere Person aus dem Komplex kam, um eine Fahrgemeinschaft zu bilden. Man kann allein eine Kapsel nehmen, wenn es sein muss, aber es wird einem vom Haushaltsenergiebudget abgezogen, und wir hatten bereits eine Menge Standardwasser zum Duschen verprasst. Wenn ich solo mit einer Kapsel zu meinem Termin fuhr, würde meine Mutter mir wirklich heißen Kaffee in den Schoß schütten. Also wartete ich dort ein paar Minuten, um zu sehen, wer vorbeikommen würde.
»Sieh mal einer an«, sagte jemand hinter mir und trat in die Schlange. »Wenn das nicht Benji ist!«
Ich drehte mich um und sah Will Rosen, der definitiv nicht zu meinen Lieblingsmenschen gehörte, und Leah Benson, für die das Gegenteil galt. Leider waren Leah und Will ein Paar. Wenn ich also Zeit mit Leah verbringen wollte, würde ich Will erdulden müssen, und für ihn galt das Gleiche. Also verbrachte ich nicht allzu viel Zeit mit Leah.
»Hallo, Benji«, sagte Leah.
»Hi, Le«, sagte ich und lächelte. Dann warf ich einen Blick an ihre Seite. »Will«, fügte ich hinzu.
»Du bist früh auf den Beinen«, sagte Will. »Es ist noch nicht mal Mittag.«
Wie aufs Stichwort kam eine Kapsel angefahren und öffnete die Tür, um uns einsteigen zu lassen. Ich überlegte, ob ich ihnen erzählte, dass ich auf Syndee wartete und die nächste Kapsel nehmen würde.
»Fährst du mit, Benji?«, fragte Leah.
Ich stieg ein.
»Parker Tower«, sagte Will zur Steuereinheit. Er war auf dem Weg zur Arbeit.
»Kent Tower«, sagte Leah. Auch sie fuhr zur Arbeit.
»Stadtverwaltung«, sagte ich.
»Erledigst du einen Behördengang für deine Mutter?«, fragte Will, als wir uns in Bewegung setzten.
»Nein«, antwortete ich energischer, als ich beabsichtigt hatte. »Ich habe einen Einstellungstermin.«
Will täuschte einen Herzanfall vor. »Ich fasse es nicht«, sagte er. »Das bedeutet ja, dass du tatsächlich eine Eignungsprüfung gemacht hast!«
»Ja«, sagte ich und schaute aus dem Fenster. Ich gab mir alle Mühe, diesem Gespräch auszuweichen.
»Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, sagte Will.
»Will«, sagte Leah.
»Benji weiß, dass ich es nicht ernst meinte.« Das sagte Will immer dann, wenn er mit dem Messer in einer Wunde herumstocherte. »Aber ich finde es auf jeden Fall großartig. Er ist der Letzte aus unserer Klasse, der es tut. Er hatte schon immer seinen ganz persönlichen Zeitplan, aber ich hatte mich bereits gefragt, wie kurz er davorstand, es zu packen.«
»Jetzt weißt du es«, sagte ich.
»Meinen Glückwunsch«, sagte Will. »Schön zu wissen, dass du von nun an deine Rolle in der Gesellschaft übernimmst. Dass du dich nicht mehr darauf verlässt, dass deine Mutter dich schon irgendwie durchbringen wird.«
Das war der Moment, in dem ich entschied, dass ich genug von Will gehört hatte. »Danke, Will«, sagte ich und rückte mich auf dem Sitz zurecht. »Und wie geht es deinem Bruder?«
Wills Gesicht zeigte einen Ausdruck, den man vermutlich eher dann bekam, wenn einem plötzlich etwas sehr Kaltes und Hartes in den Arsch gerammt wurde. Ich genoss den Anblick.
»Gut«, sagte Will. »Soweit ich weiß.«
»Wirklich?«, sagte ich. »Das ist toll. Ich habe ihn schon immer gemocht. Grüß ihn von mir, wenn du ihn das nächste Mal siehst.«
Leah warf mir einen Blick zu, der so viel wie Hör auf damit! besagte. In den folgenden Minuten lächelte ich nur zufrieden vor mich hin, bis die Kapsel langsamer wurde, anhielt und die Tür
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