Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
öffnete, damit Will aussteigen konnte. Aber er blieb sitzen und starrte mich finster an.
»Deine Haltestelle«, sagte ich.
Will riss sich zusammen, gab Leah einen flüchtigen Kuss und stieg aus.
»Das war nicht sehr nett«, sagte Leah zu mir, als wir weiterfuhren.
»Er hat es provoziert«, rechtfertigte ich mich und zeigte zurück zur Haltestelle, wo Will ausgestiegen war. »Du hast es miterlebt. Er hat mich die ganze Zeit verarscht, auf seine herablassende Ich-meins-doch-gar-nicht-ernst-Art. Wie immer. Sag mir, dass er nicht versucht hat, mich auf die Palme zu bringen. Wie er es immer wieder tut.«
»Er hat wirklich versucht, dich auf die Palme zu bringen«, stimmte Leah mir zu. »Aber du hast auch nicht allzu viel unternommen, um ihn daran zu hindern.«
»Ich glaube, ich habe ihn ziemlich gut gestoppt, als ich ihn nach seinem Bruder fragte.«
»Es gibt bessere Methoden«, sagte Leah.
»Aha? Leah, du weißt, dass ich dich heiß und innig liebe, aber der Kerl, mit dem du gehst, ist ein Arschloch. Warum bist du immer noch mit ihm zusammen?«
»Du meinst, warum bin ich mit ihm und nicht mit dir zusammen?«, erwiderte Leah.
»Auch diese Frage ging mir durch den Kopf«, gab ich zu.
»Ich erinnere mich an einen entsprechenden Versuch«, sagte Leah. »Und ich erinnere mich daran, dass er nicht gut verlaufen ist.«
»Damals war ich noch jung und unerfahren«, sagte ich mit einem Lächeln. »Diese Phase habe ich überwunden. Wirklich.«
Leah lächelte – etwas, das ich sehr gerne sah – und blickte eine Weile aus dem Fenster der Kapsel. »Benji, du warst schon immer irgendwie süß«, sagte sie. »Aber so ungern ich es zugebe, muss ich Will Recht geben. Du hast viel länger als wir anderen gebraucht, um erwachsen zu werden. Als wir die Schule abschlossen, haben wir den Eignungstest gemacht und einen Job bekommen. Du hast deine Zeit damit zugebracht, zu Hause zu schlafen und herumzuvögeln. Will hat Recht, wenn er sagt, dass du der Letzte in unserer Klasse bist, der sich um eine Einstellung bemüht.«
»Das ist nicht wahr«, sagte ich. »Da wäre noch Taylor White.«
Leah bedachte mich mit einem strengen Blick. »Du willst dich doch nicht wirklich mit einem Typ vergleichen, der noch mit fünfzehn Jahren Malkreide gegessen hat.«
»Das ist ein Gerücht.«
»Das ist kein Gerücht«, sagte Leah. »Ich habe ihn dabei beobachtet. Im Kunstunterricht. Es war ein grüner Pastellton. Er hat daran geknabbert, Benji. Und dann hat er die Kreide zurückgelegt. Ich musste den Malkasten mit ihm teilen. Es war widerlich.«
»Knabbern ist nicht dasselbe wie essen«, sagte ich.
»Spielt das wirklich eine Rolle?«, fragte Leah. »Taylor ist ein netter Kerl, aber wir beide wissen, dass er nie mehr als betreute Arbeiten erledigen wird. Damit kannst du dich nicht rausreden. In zwei Monaten wirst du zwanzig, Benji. Langsam wird es eng für dich.«
»Ich weiß nicht, was das damit zu tun hat, dass du mit Will und nicht mit mir gehst«, sagte ich. Wir näherten uns Leahs Haltestelle.
»Ich weiß, Benji«, sagte sie. »Und genau das ist ein Teil des Problems.«
Die Tür glitt auf. Leah beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. »Ich wünsche dir für heute viel Glück, Benji.«
»Danke«, sagte ich, während Leah ausstieg. »He«, rief ich ihr hinterher, worauf sie sich noch einmal zu mir umdrehte. »Selbst wenn du nicht mit mir gehen willst, könntest du ruhig etwas netter zu mir sein.«
Leah machte den Eindruck, als wollte sie noch etwas dazu sagen, doch dann schloss sich die Tür der Kapsel.
Und so landete ich im Büro von Charmaine Lo, die für die Abteilung Öffentliche Arbeitsplatzzuteilung der Stadt New St. Louis tätig war.
»Ah, Mr. Washington«, sagte sie und blickte von ihrem Schreibtisch auf, als ich hereinspazierte. Hinter ihr stand ein großer Monitor, der fast die gesamte Rückwand des Büros einnahm. »Bitte nehmen Sie Platz.«
»Danke«, sagte ich und bewunderte den Monitor. Lo folgte meinem Blick und wandte sich dann wieder mir zu.
»Das ist ein Monitor«, sagte sie.
»Ich weiß. Nettes Ding. So etwas muss ich mir für mein Schlafzimmer besorgen.«
»Nur wenn Sie eine besondere Zuteilung vom Energiekomitee bekommen.« Sie blickte auf das Pad vor sich, der bestimmt meine Personalakte zeigte.
»Dann werde ich mal mit meiner Mutter darüber reden«, sagte ich und versuchte, es wie einen Witz klingen zu lassen.
Lo bedachte mich mit einem Blick, der mir verriet, dass ich mir einen schlimmen Fehler
Weitere Kostenlose Bücher