Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
verschwanden. Etwa eine Minute lang brachte ich damit zu, den Mund zu öffnen und zu schließen, ohne dass irgendwas dabei herauskam.
»Ich glaube, irgendwas stimmt mit dem Wandmonitor nicht«, sagte ich schließlich.
»Mit dem Monitor ist alles bestens«, sagte Lo. »Das Problem ist, das Ihr Gesamtergebnis bei den Tests im 35. Perzentil liegt. Schauen Sie.« Sie hielt ihr Pad hoch und zeigte es mir. Meine Testergebnisse waren auf drei Linien dargestellt, relativ zu den anderen, die die Tests am gleichen Tag wie ich gemacht hatten, die sie im gleichen Jahr gemacht hatten, und zu allen, seit man diese Tests durchgeführt hatte, nur wenige Jahre nach der Gründung von New St. Louis.
»Genau genommen ist das 35. Perzentil ein historisches Ergebnis«, sagte Lo. »Sie haben schlechter abgeschnitten als alle anderen in Ihrem Jahrgang und im Jahrgang davor. Die meisten, die bei den Eignungstests noch weniger Punkte als Sie gemacht haben, waren Leute von außerhalb der Stadt.«
»Vielleicht gab es einen Fehler bei meiner Punktzahl«, sagte ich.
»Unwahrscheinlich«, sagte Lo. »Die Tests werden dreifach ausgewertet, von Computern, die jeden Fehler bemerken würden. Die Chance, von einem Blitz getroffen zu werden, ist höher als ein inkorrektes Testergebnis.«
»Ich könnte die Tests wiederholen«, sagte ich.
»Sie hätten Sie wiederholen können, wenn Sie sie zu einem früheren Zeitpunkt absolviert hätten. Aber der nächste Termin liegt nach Ihrem einundzwanzigsten Geburtstag. Also werden Sie für Ihre Einstellung mit diesen Ergebnissen leben müssen, Mr. Washington.«
Ich sackte auf dem Stuhl zusammen. Mutter würde mich umbringen. Lo sah mich fragend an. Ich ärgerte mich immer mehr über sie – beziehungsweise über das, was sie vermutlich über mich dachte. »Ich bin keineswegs blöd, wissen Sie«, sagte ich.
»Nein, diesen Eindruck machen Sie nicht«, stimmte Lo mir zu. »Aber ich möchte wetten, dass Sie in der Schule nicht besonders gut aufgepasst haben. Und die Auszeit, die Sie sich vor den Eignungstests genommen haben, war sicherlich auch nicht hilfreich.«
Okay, das klang genau wie das, was meine Mutter sagen würde. Und auf eine solche Diskussion hatte ich im Moment keine Lust – ob nun mit meiner Mutter oder mit Lo. »Na gut, wenn Sie meinen.« Ich zeigte auf die Wand. »Also kann ich mir jetzt einen von diesen Jobs aussuchen?«
»Noch nicht«, sagte Lo. »Denn jetzt werde ich die Ergebnisse Ihres zweiten Prüfungstages eingeben. Das heißt, dass nun die Einschätzung Ihrer inneren Haltung und Ihrer psychologischen Eignung ausgewertet werden. Die gute Nachricht ist, dass dadurch einige der Jobs wieder infrage kommen könnten, die zuvor ausgeblendet wurden. Es gibt viele Aufgaben, für die wir lieber einen motivierten Kandidaten einstellen würden, auch wenn er die Qualifikatiosanforderungen nicht ganz erfüllt.«
»Gut«, sagte ich. Das ermutigte mich ein wenig, denn ich halte mich für einen recht umgänglichen Menschen.
»Los geht’s«, sagte Lo und tippte wieder auf ihr Pad.
Alle bis auf drei Jobs verschwanden vom großen Monitor.
»Hallo?«, protestierte ich. »Das kann doch nicht richtig sein!«
»Aber so ist es«, sagte Lo und gab mir ihr Pad, damit ich es mir ansehen konnte. »Bei den psychologischen Einschätzungen haben Sie sogar noch schlechter abgeschnitten als bei der Wissensprüfung. Hier steht, dass die Prüfer Sie für arrogant, desinteressiert und defensiv halten. Einer von ihnen bezeichnete Sie sogar als ›ziemliches Arschloch‹.«
Als ich das hörte, blickte ich empört vom Pad auf. »So etwas kann man doch nicht in einem offiziellen Bericht sagen!«
»Diese Leute dürfen sagen, was sie wollen«, erklärte Lo. »Sie sind dazu ausgebildet, die Befähigung der Probanden als Arbeitnehmer zu beurteilen, und sie sind sogar gesetzlich zur Ehrlichkeit verpflichtet, wenn sie ihre Eindrücke formulieren. Wenn jemand Sie als ›ziemliches Arschloch‹ bezeichnet hat, liegt das daran, dass Sie genau das sind. Beziehungsweise, dass Sie diesen Eindruck erwecken.«
»Ich bin kein Arschloch!«, sagte ich und schob das Pad zu Lo zurück.
Sie zuckte die Achseln. »Sie scheinen nicht gerade mit einer positiven Grundeinstellung hierhergekommen zu sein. Der angebliche Witz über den Monitor und Ihre Mutter, zum Beispiel.«
»Ich habe es wirklich als Witz gemeint«, sagte ich.
»Das mag durchaus sein«, sagte Lo. »Aber es erweckt den Eindruck, dass Sie den Namen Ihrer Mutter erwähnen
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