Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
Zwei schwarze Motorräder. Die beiden Fahrer steigen mit geschmeidigen Bewegungen ab. Zwei stattliche Figuren mit Integralhelmen. Mir fällt auf, dass das dritte Motorrad fehlt, das mit dem schwarzen Panther auf dem Lack.
Der Größere der beiden hebt das Visier und sieht mich durchdringend an. Ein Schauder überläuft mich. Ich wette, dass es Mikael ist, obwohl ich mir auch diesmal nicht sicher sein kann. Aber daran ist nur Umberto schuld, der mich am Arm nimmt und wegzieht.
»Lass uns gehen«, sagt er und verzieht dabei merkwürdig das Gesicht.
»Was ist denn in dich gefahren?« Ich mache widerstrebend ein paar kleine Schritte. Er gibt mir keine Antwort, und als ich mich zu den Motorradfahrern umdrehe, sind sie verschwunden.
Umberto antwortet mir immer noch nicht. Dafür holt er eine weiße Tüte aus der Jacke. »Die sind für dich. Cantucci, die musst du unbedingt probieren.«
»Danke … Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
»Aber sicher. Wer sollte sonst dafür sorgen, dass du die regionalen Spezialitäten probierst?«
Ich schenke ihm ein etwas bemühtes Lächeln, während ich mich weiter umsehe, in der Hoffnung, dass Mikael irgendwo auftaucht. Umberto verhält sich wirklich seltsam, ich begreife nicht, was er hat.
In der Eingangshalle der Schule trennen sich unsere Wege. Ich komme mir dumm vor, als ich mich neben dem Kaffeeautomaten verstecke und darauf warte, dass er die Treppe hinaufgeht. Hoffentlich ist Caterina nicht in der Nähe. Warum muss die Liebe immer so kompliziert sein? Warum muss Caterina in Umberto verliebt sein, wenn er, leugnen ist zwecklos, augenscheinlich an mir interessiert ist? Wenn ich doch wenigstens auf ihn stehen würde.
Ich laufe die Stufen hinauf, ziemlich nervös wegen des Abfragens, auf das ich nicht vorbereitet bin, und mit jeder Minute empfinde ich Mikaels Abwesenheit als bedrückender.
Eigentlich bin ich immer ziemlich vernünftig gewesen. Ich habe zwar manchmal instinktiv gehandelt, aber immer nachvollziehbar. Und jetzt? Was ist nur in mich gefahren? Diese Frage stellt sich mir immer öfter. Und ich möchte sie nicht beantworten.
24
D ie Geschichtslehrerin wählt nach dem Zufallsprinzip ein paar Namen. Zaccarelli und Mancini kommen dran! Seufzer der Erleichterung.
Die vierte Stunde fällt aus. No English, no problem . Ich überzeuge unsere junge und sympathische Vertretungslehrerin, mich in die Bibliothek gehen zu lassen, um dort für eine angebliche Arbeit in Kunstgeschichte Material zu sammeln. Ich liebe Vertretungslehrer, die nicht ganz bei der Sache sind. Sie hat nur kurz den Blick von dem Stapel Klassenarbeiten einer anderen Klasse gehoben, die sie korrigierte, und hat mir bedeutet, ich könnte gehen. Ich wäre ihr fast um den Hals gefallen!
In der Bibliothek ist keine Menschenseele. Bis auf mich und Edoardo natürlich.
»Bist du ein Flüchtling, der um politisches Asyl bittet?«
»Mein Englischlehrer hat die nette Idee gehabt, krank zu werden, und da bin ich!«
»Sehr gut. Gerade ist ein Haufen Bücher angekommen, die etikettiert werden müssen.« Er muss mich nur kurz ansehen, um zu bemerken, wie enttäuscht ich bin. Ich schaue nach oben, zu den alten Handschriften, die dort aufbewahrt werden.
»Ach Quatsch, das war nur Spaß. Hast du Lust, dir diese Staubfänger einmal anzusehen?« So nennt Edoardo die alten Kostbarkeiten.
Ich strahle ihn an: »Und ob!«
In andächtigem Schweigen, aber mit einem breiten Lächeln im Gesicht folge ich ihm auf der Wendeltreppe nach oben.
Ich überfliege die Titel der Bücher im ersten Bücherschrank, dessen dunkles Holz von Generationen von Holzwürmern zerfressen wurde. Anthropologie, Religion, Kunstgeschichte … Goldverzierte Einbände aus wertvollen Stoffen oder Leder.
»Diese Seiten strömen Vergangenheit aus, in ihnen wird ein Teil der Menschheitsgeschichte aufbewahrt.« Edoardos Augen funkeln hinter den Gläsern seiner Brille.
»Ich hätte gern ein bisschen von dieser Weisheit in meinem Kopf. Dort geht zurzeit alles drunter und drüber!« Ich muss mich einfach jemandem anvertrauen, sonst drehe ich noch durch. Und bei Edoardo gelingt mir das spontan. Er versteht mich sofort und kann mit mir durch die Sprache der Bücher reden, die er anscheinend als alte Freunde betrachtet. Nach kurzem Zögern versuche ich, ihm zu beschreiben, was in mir vorgeht. »Mein Herz ist so schwer wie ein Stein. Aber dann wird es wieder so leicht, dass ich fürchte, es könnte aus meiner Brust herausfliegen. Ich habe mich noch nie so
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