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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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war, geschoben. Niemals hätte sie auf böswillige Absichten getippt. Ein folgenschwerer Irrtum! Hannah Starr war eine Teufelin und ein schlechter Mensch. Wenn Lucy nur auf ihre Instinkte gehört hätte, denn ihr Bauchgefühl bei Hannahs und ihrem ersten Treffen allein in Florida war alles andere als gut gewesen. Inzwischen wusste sie das. Hannah verhielt sich zwar höflich und freundlich und hatte beinahe mit ihr geflirtet, doch Lucy hatte zwischen den Zeilen einen seltsamen Unterton herausgespürt, auch wenn sie es damals nicht hatte wahrhaben wollen. Vielleicht lag es daran, wie Hannah die Powerboote betrachtete, die mit einem nervtötenden Dröhnen unter dem Balkon ihrer schicken Wohnung in North Miami Beach vorbeibrausten. Wegen des Lärms hatte Lucy ihre eigene Stimme kaum gehört. In Hannahs Blick hatte sich nackte Gier gemalt. Gier und Rivalität.
    »Ich wette, Sie haben irgendwo auch so ein Bötchen geparkt.« Hannahs Stimme klang belegt und erotisch, als ein 46 Rider XP mit dreifach verstärktem Rumpf und mindestens 950 PS starken Motoren aufs offene Meer hinausraste. Das Geräusch erinnerte an eine Harley, wenn man Vollgas gab – so laut, als hielte man das Ohr direkt an den Auspuff einer Screamin’ Eagle.
    »Schnellboote sind nicht so mein Ding.« Genau genommen verabscheute Lucy sie sogar.
    »Das kann nicht sein. Sie mit Ihren Autos und Motorrädern. Ich weiß noch, wie begeistert Sie von den Autos meines Vaters waren. Sie waren die Einzige, die seinen Enzo fahren durfte. Ich konnte es kaum glauben. Und dabei waren Sie fast noch ein Kind. Ich hätte geglaubt, ein Powerboot wie das Rider XP wäre etwas für Sie.«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Und ich dachte, ich würde Sie kennen.«
    »Ich könnte so ein Boot zu nichts gebrauchen. Außer ich würde ein Doppelleben führen, Drogen schmuggeln oder für die Russenmafia arbeiten.«
    »Doppelleben?«, meinte Hannah. »Schießen Sie los.« »Ich habe keines.«
    »Mein Gott, schauen Sie nur.« Ein weiteres Boot war gestartet. Eine breite, weiß schäumende Bugwelle hinter sich herziehend, donnerte es durch die Einfahrt des Intercoastal Waterway unter der Schnellstraße hindurch hinaus auf den Atlantik. »So etwas fehlt mir noch. Das möchte ich eines Tages haben. Kein Doppelleben, sondern ein solches Boot.«
    »Falls es je so weit ist, erzählen Sie mir besser nichts davon. Ich rede nicht gern über Boote.«
    »Ich führe kein Doppelleben. Ich bin wie ein offenes Buch.«
     
    Hannahs Diamantring im Art-déco-Stil funkelte im Sonnenlicht, als sie die Hand aufs Balkongeländer legte und das tiefblaue Wasser und den hellblauen Himmel betrachtete. Die zusammengerollten Sonnenschirme am langen, knochenweißen Strand ähnelten Zuckerstangen. Die Spitzen der fedrigen Palmwedel verfärbten sich gelb.
    Auf Lucy hatte Hannah in ihrem Seidenkleid von Ungaro so gewirkt, als wäre sie gerade einer Werbebroschüre für eine Fünf-Sterne-Ferienanlage entstiegen. Sie wog gerade noch genug, um sexy zu sein, und hatte genau das richtige Alter, um als Top-Finanzberaterin ernst genommen zu werden. Vierzig und das Sinnbild der Perfektion. Sie gehörte zu den Menschen, an denen alles Gewöhnliche, Leidvolle und Hässliche einfach abperlte. Lucy war ihr bei den prunkvollen Abendeinladungen und Partys im Haus ihres Vaters Rupe Starr nach Kräften aus dem Weg gegangen. Allerdings hätte sie Hannah niemals ein Verbrechen zugetraut, wenn auch nur aus dem Grund, dass sie es gar nicht nötig hatte, sich zu etwas so Schäbigem wie dem Belügen oder Bestehlen ihrer Mitmenschen herabzulassen. Doch offenbar hatte sie Hannahs offenes Buch falsch gelesen beziehungsweise so missverstanden, dass ihr dadurch ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstanden war. Dank Hannahs freundlicher Beratung hatte sie eine neunstellige Summe verloren. Eine Lüge führte zur nächsten, und nun war Lucy gezwungen, selbst in einer zu leben, obwohl sie ihre eigene Definition davon hatte: Eine Lüge war eigentlich keine Lüge, wenn letztlich die Wahrheit dabei herauskam.
    Auf halbem Wege die Rampe hinauf versuchte sie, mit ihrem BlackBerry Marino zu erreichen. Eigentlich sollte er im Moment Hap Judd beschatten und sichergehen, dass der Mann sich nach dem idiotischen Gezerre, er könne sich nur mitten in der Nacht mit ihnen treffen, weil er sonst Gefahr liefe, erkannt zu werden, nicht doch spontan verdrückt hatte. Er befürchtete nämlich, auf Seite sechs in der Post oder im Internet zu landen. Vielleicht hätte er

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