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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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auf sie zukam. Stattdessen beobachtete sie die Leute um sich herum, von denen manche sie zu erkennen schienen. Bentons Reaktion bei ihrem Anblick war stets dieselbe, eine Mischung aus Aufregung und Trauer, die ihm ans Herz ging. Die Freude, mit ihr zusammen zu sein, wurde ihm von der Erinnerung an seinen Schmerz vergällt, als er hatte annehmen müssen, dass er sie niemals wiedersehen würde. Immer wenn er sie – unbemerkt, heimlich und eingehend – aus der Entfernung betrachtete, sehnte er sich nach ihr. Manchmal fragte er sich, wie sie ihr Leben wohl weitergeführt hätte, wenn er, wie sie geglaubt hatte, wirklich tot gewesen wäre. Hätte es eine Erleichterung für sie bedeutet? Möglicherweise. Er hatte ihr viel Leid und Qualen angetan, sie in Gefahr gebracht und ihr Schaden zugefügt, und das konnte er sich nicht verzeihen.
    »Vielleicht solltest du heute Abend absagen«, meinte er zu ihr, als er sie erreicht hatte.
    Freudig überrascht drehte sie sich zu ihm um. Ihre tiefblauen Augen waren wie der Himmel und spiegelten ihre Gedanken und Gefühle wider, als handle es sich dabei um Wetterphänomene – Licht und Schatten, heller Sonnenschein, Wolken und Nebel.
    »Wir können uns ein nettes, gemütliches Abendessen gönnen«, fügte er hinzu, fasste sie am Arm und zog sie an sich, als bräuchten sie einander, um sich warm zu halten. »Il Cantinori. Ich rufe Frank an und frage ihn, ob er noch einen Tisch für uns hat.«
    »Führe mich nicht in Versuchung«, erwiderte sie und schlang ihm den Arm fest um die Taille. »Melanzane alla parmigiana. Und einen Brunello di Montalcino. Wahrscheinlich würde ich deine Portion auch verschlingen und die ganze Flasche allein austrinken.«
    »Du Gierschlund.« Beschützend legte er den Arm um sie, als sie in Richtung First Avenue schlenderten. Der Wind wehte heftig, und es fing an zu regnen. »Du solltest wirklich absagen. Schwindle Alex einfach vor, du hättest die Grippe.« Als er nach einem Taxi winkte, kam eines auf sie zugebraust.
    »Ich kann nicht. Außerdem müssen wir nach Hause«, entgegnete sie. »Wir haben eine Telefonkonferenz.«
    Benton hielt die hintere Tür des Taxis auf. »Was für eine Telefonkonferenz?«
    »Jaime.« Scarpetta rutschte zum anderen Ende der Rückbank durch. Nachdem sie dem Fahrer die Adresse genannt hatte, wandte sie sich wieder an Benton. »Schnall dich an.« Es war eine Marotte von ihr, ihre Mitmenschen daran zu erinnern, auch wenn es überflüssig war. »Lucy glaubt, dass sie in ein paar Stunden aus Vermont wegkönnen. Bis dahin müsste die Schlechtwetterfront südlich an uns vorbeigezogen sein. Bis es so weit ist, möchte Jaime dich, mich und Marino, also uns alle, am Telefon sprechen. Sie hat mich vor etwa zehn Minuten angerufen, als ich zu Fuß hierher ging. Es war ein ungünstiger Moment, deshalb kenne ich keine Einzelheiten.«
    »Du hast also keine Ahnung, was sie will?«, fragte Benton, während das Taxi auf die Third Avenue zusteuerte und nach Norden fuhr. Die Scheibenwischer quietschten laut im Sprühregen. Die oberen Etagen der erleuchteten Gebäude wurden vom Nebel verschluckt.
    »Es geht um die Sache von heute Morgen.« In Gegenwart des Taxifahrers wollte sie sich nicht genauer ausdrücken, auch wenn er vermutlich gar nicht Englisch sprach.
    »Die Sache, mit der du dich schon den ganzen Tag befasst.« Benton meinte den Fall Toni Darien.
    »Wir haben heute Nachmittag einen telefonischen Hinweis erhalten«, fügte Scarpetta hinzu. »Offenbar hat jemand etwas beobachtet.«

5
    Marino hatte es mit seinem Büro unglücklich getroffen: Zimmer Nummer 666, One Hogan Place. Bonnell blieb im grau gekachelten Flur stehen, der bis zur Decke mit Kartons vollgestapelt war. Die drei Sechsen über der Tür wirkten wie ein Hinweis auf Marinos Charakter, eine Warnung an alle, auf der Hut zu sein.
    »Äh, okay«, sagte Bonnell und blickte auf. »Ich könnte hier nicht arbeiten. Eine solche Umgebung fördert das negative Denken. Und wenn jemand glaubt, dass etwas Unglück bringt, tut es das auch. Ich an Ihrer Stelle würde sofort umziehen.«
    Marino schloss die beigefarbene, rund um den Knauf abgewetzte Tür auf. An den Kanten blätterte die Farbe ab. Der Duft des chinesischen Essens war überwältigend. Marino konnte es kaum erwarten, sich über die knusprigen, mit Entenfleisch gefüllten Frühlingsrollen und die gegrillten Rippchen herzumachen, und freute sich, dass Bonnell etwas Ähnliches bestellt hatte: Rinder-Teriyaki mit Nudeln, nichts Rohes

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