Scarpetta Factor
ein paar Schritte zur Seite und sprach in sein Funkgerät.
»Ist Ihnen sonst noch irgendetwas an seiner Kleidung aufgefallen?«, fragte Benton.
»Er war dunkel angezogen. Dunkle Stiefel und eine dunkle Hose, glaube ich. Und er hatte einen langen Mantel an, der über die Knie reichte. Schwarz. Mit hochgeschlagenem Kragen. Handschuhe, wie ich schon sagte, vielleicht mit Fell gefüttert. Und die FedEx-Mütze. Mehr weiß ich nicht.«
»Brille?«
»Sie war irgendwie getönt. Verspiegelt.«
»Verspiegelt?«
»Ja, damit man nicht durchschauen kann. Und ich erinnere mich an noch etwas. Ich denke, ich habe Zigaretten und möglicherweise Streichhölzer gerochen. So als ob er gerade eine geraucht hätte.«
»Ich dachte, Ihre Nase sei verstopft und Sie könnten nichts riechen«, wandte Benton ein.
»Es ist nur so ein Gefühl, dass ich etwas wie Zigaretten gerochen haben könnte.«
»Du hast nicht an Zigaretten gedacht«, wandte sich Benton an Scarpetta.
»Nein«, antwortete sie, ohne hinzuzufügen, dass Ross vermutlich den Schwefel wahrgenommen hatte, der ähnlich roch wie ein abgebranntes Streichholz.
»Hast du auf dem Weg hierher jemanden bemerkt, auf den Ross’ Beschreibung passt?«, fragte Benton. »Oder vielleicht vorher auf dem Weg zu CNN?«
Scarpetta überlegte, allerdings vergeblich. »Das Klemmbrett!«, rief sie plötzlich. »Hat er Sie gebeten, etwas zu unterschreiben?«, fragte sie Ross.
»Nein.«
»Wozu brauchte er dann ein Klemmbrett?«
Ross zuckte die Achseln. Sein Atem stand ihm beim Sprechen als weiße Dampfwolke vor dem Mund. »Er hat überhaupt nichts von mir gewollt. Gar nichts. Er hat mir einfach nur das Paket gegeben.«
»Hat er Sie aufgefordert, das Paket nur Dr. Scarpetta persönlich auszuhändigen?«, erkundigte sich Benton.
»Er sagte, ich solle dafür sorgen, dass sie es bekommt, ja. Und er hat ihren Namen genannt, jetzt, da Sie es erwähnen. Er meinte: ›Das ist für Dr. Scarpetta. Sie erwartet es.‹«
»Drücken sich die Mitarbeiter von FedEx normalerweise so genau aus und nennen den Empfänger beim Namen? Fanden Sie das nicht ein wenig seltsam? Ich habe noch nie erlebt, dass ein FedEx-Bote eine solche Bemerkung gemacht hätte. Woher hätte er wissen sollen, dass sie es erwartet?«, wunderte sich Benton.
»Keine Ahnung. Ein bisschen komisch war es schon.«
»Was war auf dem Klemmbrett?«, kehrte Scarpetta zu ihrem ursprünglichen Thema zurück.
»Ich habe nicht richtig hingeschaut. Bestimmt Belege und Lieferscheine. Werde ich deshalb Schwierigkeiten kriegen? Meine Frau ist schwanger, und ich kann keinen Ärger gebrauchen«, erwiderte Ross, der für einen Familienvater viel zu jung wirkte.
»Warum haben Sie mich nicht oben in der Wohnung angerufen und mir mitgeteilt, dass ein Paket abgegeben wurde?«, fragte Benton.
»Weil der FedEx-Mensch sagte, dass es für Dr. Scarpetta ist. Außerdem wusste ich, dass sie bald zurückkommen würde, und angeblich hat sie es ja erwartet.«
»Und aus welchem Grund wussten Sie, dass sie bald zurückkommen würde?«
»Er arbeitete schon am Empfang, als ich gegen acht losgegangen bin«, antwortete Scarpetta an Ross’ Stelle. »Er hat mir viel Glück für meinen Auftritt gewünscht.«
»Und woher war Ihnen bekannt, dass sie heute Abend im Fernsehen sein würde?«, hakte Benton nach.
»Weil ich die Vorankündigungen und die Werbung gesehen hatte. Schauen Sie.« Ross deutete auf den oberen Rand eines Gebäudes auf der anderen Seite des Columbus Circle, wo eine Laufschrift mit CNN-Nachrichten angebracht war, sodass man es schon aus einigen Häuserblocks Entfernung lesen konnte. »Da steht hell erleuchtet ihr Name.«
Unter dem grellroten Logo von CNN lief Scarpettas nicht vor laufender Kamera gemachte Bemerkung rings um die Fassade des Wolkenkratzers.
... EINE VERBINDUNG ZWISCHEN HANNAH STARR UND EINER ERMORDETEN JOGGERIN. IHRER ANSICHT NACH ERSTELLT DAS FBI TÄTERPROFILE NACH »VERALTETEN METHODEN« ANSTELLE VON BEWEISBAREN DATEN. IN DER HEUTIGEN AUSGABE DES CRISPIN REPORT VERMUTETE DIE GERICHTSMEDIZINERIN DR. KAY SCAR PETTA EINE VERBIN DUNG ZWISCHEN HANNAH STARR UND EINER ERMORDETEN JOGGERIN. IHRER ANSICHT NACH ERSTELLT DAS FBI TÄTERPROFILE ...
10
Plötzlich erschien Marino auf der gesperrten Straße. Die Halogenlichter, die ihn von hinten anstrahlten, ließen ihn wirken wie eine Gestalt aus dem Jenseits.
Das Flackern der Blaulichter spiegelte sich in seinem breiten wettergegerbten Gesicht und seiner altmodischen Nickelbrille, und er
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