Scarpetta Factor
der Ihnen schaden will oder der Sie bedroht«, meinte Lobo zu Scarpetta.
»Mir fällt keine bestimmte Person ein.«
»Und allgemein betrachtet?«
»Dann könnte es jeder sein«, antwortete sie.
»Haben Sie in Ihrem Büro in Massachusetts, in der hiesigen Gerichtsmedizin oder vielleicht bei CNN ungewöhnliche E-Mails, Post oder Anrufe erhalten?«
»Mir fällt nichts ein.«
»Ich hätte einen Vorschlag zu machen«, sagte Benton. »Was ist mit dieser Frau, die dich heute Abend in der Sendung angerufen hat? Dodie?«
»Genau«, stimmte Marino zu.
»Genau?«, wiederholte Lobo.
»Dodie Hodge, wahrscheinlich eine ehemalige Patientin im McLean. Ich habe sie noch nicht am Computer überprüft, weil mir Doc Scarpettas kleines Missgeschick dazwischengekommen ist«, bekannte Marino.
»Ich kenne diese Frau nicht«, erwiderte Scarpetta. Beim Gedanken an die Anruferin, die Benton namentlich erwähnt und sich auf einen Artikel berufen hatte, der gar nicht von ihm stammte, wurde ihr wieder mulmig.
Sie drehte sich zu Benton um. »Ich werde dich nicht nach ihr fragen.«
»Und ich darf mich dazu nicht äußern«, gab er zurück.
»Dann gestatte, dass ich etwas sage, denn mir ist die Privatsphäre von durchgeknallten Spinnern scheißegal«, meinte Marino zu Scarpetta. »Die Dame, um die es hier geht, hat das McLean verlassen. Kurz darauf erhält Benton eine singende Weihnachtskarte von ihr, die auch an dich adressiert ist. Dann ruft sie dich in einer Live-Sendung an, und zu guter Letzt bekommst du ein Paket.«
»Stimmt das?«, wandte sich Lobo an Benton.
»Ich darf das nicht bestätigen und habe nie behauptet, dass sie Patientin im McLean war.«
»Du streitest es also ab«, hakte Marino nach.
»Ich werde weder das eine noch das andere tun.«
»Also gut«, entgegnete Lobo. »Was halten Sie davon? Wissen wir, ob diese Patientin, Dodie Hodge, sich derzeit in der Gegend, vielleicht sogar in der Stadt aufhält?«
»Vielleicht«, antwortete Benton.
»Vielleicht? Was heißt vielleicht ?«, empörte sich Marino. »Findest du nicht, dass wir ein verdammtes Recht darauf haben, das zu erfahren?«
»Solange wir nicht sicher sein können, dass sie ein Verbrechen begangen hat oder eine Bedrohung darstellt ... «, begann Benton. »Du kennst die Vorschriften.«
»Na klasse«, höhnte Marino. »Vorschriften, die jeden mit Ausnahme der Unschuldigen schützen. Ich weiß, wie das läuft. Durchgeknallte Mörder und jugendliche Straftäter. Heutzutage ballern schon Achtjährige in der Gegend herum. Aber nur zu, schütz ihre Privatsphäre.«
»Wie wurde die singende Karte denn abgegeben?«, erkundigte sich Lobo.
»FedEx«, erwiderte Benton. »Ich behaupte weder, dass kein Zusammenhang besteht, noch dass es einen gibt. Ich weiß es einfach nicht.«
»Wir werden uns an CNN wenden und Dodie Hodges Anruf in der Sendung überprüfen«, sagte Lobo. »Ich möchte herausfinden, von wo aus sie angerufen hat. Außerdem brauche ich einen Mitschnitt der Sendung. Wir müssen diese Frau aufspüren und mit ihr reden. Hat Sie je einen gefährlichen Eindruck auf Sie gemacht?«, wandte er sich an Benton. »Schon gut. Sie dürfen nicht über sie sprechen.«
»Exakt.«
»Gut, dann warten wir eben, bis sie jemanden in die Luft sprengt. Dann machst du vielleicht endlich den Mund auf«, höhnte Marino.
»Wir haben keine Ahnung, wer der Überbringer des Pakets ist. Nur, dass es sich um einen Schwarzen mit einer Tätowierung am Hals handelt«, meinte Benton. »Weiterhin kennen wir den Inhalt des Pakets nicht. Wir wissen ja nicht einmal, ob wir es überhaupt mit Sprengstoff zu tun haben.«
»Allerdings reicht unser Kenntnisstand, um bei mir ein mulmiges Gefühl auszulösen«, widersprach Lobo. »Wir haben auf dem Röntgenbild so einiges gesehen. Drähte, Knopfbatterien, einen Mikroschalter und etwas, das mir wirklich Sorgen macht: einen kleinen, durchsichtigen Behälter, ähnlich wie ein Reagenzglas, verschlossen mit einer Art Korken. Radioaktive Strahlung konnten wir nicht feststellen, doch wir haben auch keine anderen Untersuchungsmethoden angewandt, weil wir dem Ding nicht zu nah kommen wollten.«
»Haben Sie etwas gerochen?«, fragte Scarpetta.
»Ich bin auf Abstand geblieben«, erwiderte Lobo. »Unsere Leute, die rauf auf Ihre Etage sind, haben vom Treppenhaus aus gearbeitet. Die Kollegin, die Ihre Wohnung betreten hat, trug einen Schutzanzug und hätte höchstens einen sehr starken Geruch wahrnehmen können.«
»Kümmern Sie sich noch heute Nacht
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