Scarred Heart (German Edition)
sich suchend um, zog ihn dann wieder ergebnislos heraus, schloss die Tür und knallte dann vor Schreck gegen die Arbeitsplatte.
Rafael grinste sich auf seinem Stuhl einen ab, winkte und sagte: „Guten Morgen! Auch aus dem Bett gefallen?“ , und trank einen Schluck aus seiner Tasse.
Marius tastete sich an der Arbeitsplatte entlang in Richtung Tür. Er hatte gedacht, er sei allein hier, war es doch Sonntag und sein Bruder noch im Bett. Eigentlich wie immer. Mit Rafael hatte er einfach nicht gerechnet.
Vor Schreck vergaß er sogar, sein Gesicht zu verdecken, was ihm aber nicht bewusst war. So konnte Rafael erstmals das ganze Ausmaß des Schadens sehen. Und der war beträchtlich. Die rechte Gesichtshälfte war fast komplett von Narben überzogen. Eine Kraterlandschaft. Eine andere Beschreibung fiel Rafael nicht ein.
Er hatte Mühe, sein Lächeln beizubehalten. Fast wären ihm die eigenen Gesichtszüge entglitten. Es sah wirklich schlimm aus. Das Auge schien unversehrt zu sein. Die Narben zogen sich vor allem vom Hals über die Wange am Auge vorbei bis hoch zur Schläfe, wo sie dann fast nicht mehr zu sehen waren.
Rafaels Blick fiel auf die Hände von Marius. Die rechte Hand war ebenfalls von Narben entstellt, Ringfinger und kleiner Finger waren deformiert, wirkten in sich verdreht.
Marius erholte sich schnell wieder von seinem Schreck, und sah, wie Rafael auf seine Hände starrte. Die jetzt zu zittern anfingen. Er schluckte, senkte den Blick zu Boden. Riss den Kopf wieder hoch. Rafael hatte sein Gesicht gesehen! Nein! Bitte nicht!
Ruckartig warf sich Marius zur Tür, hechtete förmlich hindurch und verschwand im Flur. Dass „Marius, warte!“, hörte er nur am Rande. Gehetzt rannte Marius ins Bad, schloss sich darin ein. Stand mit dem Rücken zitternd an der Tür. Blickte auf seine deformierten Finger, auf die Narben. Er rutschte zu Boden, den Blick weiterhin auf die Hand gerichtet.
Er hatte ihn gesehen! Rafael hatte es gesehen! Ging ihm dauernd durch den Kopf. Das durfte nicht sein!
Erst als was Nasses auf seine Hände fiel, bemerkte Marius, dass er weinte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, zog Rafael ihn an. Doch er wollte nicht ehrlich sein, denn es würde nur zu weiterem Schmerz führen.
Sein Herz blutete, rief verzweifelt nach Liebe und Geborgenheit, nach einem Mann, dem egal war, wie er aussah. Doch den gab es nicht. Er schlug sich die Hände vors Gesicht, die Tränen strömten jetzt nur so an seinen Wangen hinab.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzuck en. Erschrocken hob er den Kopf und lauschte.
„Marius?“ , fragte Rafael leise auf der anderen Seite der Tür. „Mach bitte auf!“
Marius schwieg, nicht bereit, sich von der Stelle zu rühren . Er soll gehen! Lass mich in Frieden! schrie er verzweifelt in seinem Kopf, gab aber keinen Ton von sich.
„Marius, bitte. Du machst mir Angst. Antworte wenigstens!“ , hörte er Rafael sagen. Doch er konnte nicht. Er war wie gelähmt. Warum war Rafael nicht schreiend vor Ekel aus dem Haus gerannt? Wahrscheinlich, um seine Freundschaft mit Marek nicht zu gefährden, beantwortete sich Marius die Frage selbst.
Ein schaben an der Tür ließ ihn erneut aufhorchen. Wenn er es richtig deutete, war jemand an der Tür hinabgerutscht. Rafael? Aber warum?
Ein seufzen erklang, d ann: „Marius, mir macht es nichts aus, wie du aussiehst. Ja, es ist ungewöhnlich, aber es ist doch nur Aussehen!“
Marius lachte bitter auf. Ja klar. Es ist ja nur Aussehen. Von wegen. Sogar seine eigenen Eltern konnten ihm nicht ins Gesicht sehen, wie sollte es da ein Fremder können? Wut packte ihn, so schnell und heftig, dass er nicht weiter darüber nachdachte, aufstand, die Tür aufschloss und dann mit einem heftigen Ruck die Tür fast aus den Angeln riss.
Rafael purzelte rückwärts ins Bad, da dieser mit so einer Reaktion nicht gerechnet hatte. Verdutzt starrte er nach oben, direkt in die grünen Augen von Marius. Grün! Und was für ein sattes Grün. Rafael versank in deren Tiefen. Jetzt erst konnte er seine Augenfarbe richtig erkennen.
„Aussehen ist nicht alles?“ , schrie Marius, außer sich vor Wut. „Von wegen! Du hast ja keine Ahnung, was mir dieses AUSSEHEN“ –er spukte das Wort regelrecht aus- „eingebracht hat! Hohn, Ablehnung, Spott und was weiß ich noch!“
Sie funkeln! Dachte Rafael verzückt. Nur langsam kam ihm zu Bewusstsein, dass Marius ihn anschrie, vor Wut schäumte. Der Kleine zitterte -ob vor Wut oder Scham- konnte Rafael nicht
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