Scarred Heart (German Edition)
erkennen. Eher Wut.
Doch bevor er etwas sagen konnte, war Marius über ihn hinweg gestiegen und rannte den Flur hinunter. Kurz darauf schlug eine Tür zu.
Rafael blieb verdutzt liegen. Wo der Kleine gestern noch extrem schüchtern und in sich gekehrt gewesen war, war heute ein Vulkan ausgebrochen. Wie der Ätna. Brodelte vor sich hin, bis er plötzlich ausbrach, ohne jede Vorwarnung.
„Was`n hier los?“ Ein völlig verknitterter Marek tauchte über ihm auf, sah ihn aus noch vom Schlaf verhangenen Augen an.
„Was machste den auf dem Boden?“ fragte er seinen Kumpel irritiert. D er zuckte nur mit den Schultern und hievte sich in eine sitzende Position. Tat ihm seine Kehrseite weh! Auweia.
„Kannst mir ja mal eine Hand reichen, statt dumm rum zu stehen!“ , blaffte er Marek an. Der sah ihn an, gähnte und reichte dann Rafael eine Hand. Gemeinsam gingen sie in die Küche, wo Rafael sich schwer auf einen Stuhl fallen ließ und Marek sich eine Tasse Kaffee holte.
Rafael wartete, bis Marek die eine Tasse ausgetrunken und sich eine neue geholt hatte. Dann erzählte er seinem Kumpel, was vorgefallen war. Marek runzelte die Stirn, blick te nachdenklich zu Rafael.
„Er hat dich angeschrien? Merkwürdig!“ , konstatierte er. Nun war es an Rafael, die Stirn zu runzeln: „Warum?“
„Ganz einfach: Erstens platzt ihm selten der Kragen, aber wenn es passiert, dann nur, wenn ich es mit meiner Fürsorge wieder übertrieben habe! Oder ihn zu etwas überreden will, was er nicht möchte. Es ist selten, das er so aus sich heraus geht.“, bekam er zur Antwort. Dabei entging Rafael nicht der taxierende Blick seines Gegenübers.
„Jetzt mal Karten auf den Tisch, Rafe: Was willst du von Ari?“
Rafael seufzte –was zur Angewohnheit in diesem Haus wurde- und sah Marek direkt in die Augen. Wie sollte er es ihm erklären, ohne dass ihm der Kopf abgerissen wurde? Es ging hier immerhin um den kleinen Bruder seines besten Freundes. Dass besagter Bruder Probleme hatte, störte ihn nicht. Nicht sehr, er musste ehrlich sein. Ja, es war ungewöhnlich und etwas gewöhnungsbedürftig, aber er wollte den Mann hinter den Narben kennen lernen.
Also antwortete er: „Er fasziniert mich. Er zieht mich an. Reicht dir das als Antwort?“
Marek sah Rafael intensiv an. Dann zuckte er mit den Schultern und meinte: „Viel Glück. Du wirst es brauchen!“ Er glaubte Rafael, dass er es ehrlich mit seinem Bruder meinte. Und sein Gefühl sagte ihm, dass dies vielleicht ein Wendepunkt in Marius` Leben sein könnte.
6
Unterdessen saß Marius in seinem Zimmer auf dem Bett und drückte das Kissen an die Brust. Was war nur in ihn gefahren? Er war schon lange nicht mehr so aus der Haut gefahren. Gut, Marek schaffte es immer wieder, ihn auf die Palme zu bringen, aber ein Fremder? Ja, Rafael war ein heißer Typ, genau das, was er vor seinem Unfall bevorzugt abgeschleppt hatte.
Wenn er jetzt so darüber nachdachte, wollte er glauben, dass Rafael ihn näher kennen lernen wollte. Das er hinter die Narben sehen wollte. Aber Marius war sich im Klaren, dass das Wunschdenken war. Die Vergangenheit zeigte es ihm doch. Seine Erfahrungen hatten ihn anderes gelehrt.
Wehmütig dachte er an die glücklichen Zeiten zurück, als er noch bei seinen Eltern gewohnt hatte. Gut, sie hatten ein Problem damit, dass er schwul war und schwiegen das Thema tot. Er hatte auch nie einen Freund mit nach Hause gebracht. Trotz allem hatte er ein recht gutes Verhältnis mit ihnen gehabt, solange dieses eine Thema nicht angesprochen wurde.
Doch nach dem Unfall änderte sich auch das Verhältnis zu seinen Eltern. Sie packten ihn in Watte, fassten ihn mit Samthandschuhen an. In der Reha besuchten sie ihn nicht oft. Nachdem er aus der Reha entlassen worden war, war er wieder nach Hause gegangen. Schon in den ersten Tagen fiel ihm auf, dass fast kein Besuch mehr zu seinen Eltern kam. Sie sahen ihn fast nie an, gingen ihm aus dem Weg. Dann hörte er zufällig ein Gespräch seiner Mutter mit, die eine Freundin zu Besuch hatte. Die Worte hörte er heute noch in seinem Kopf: „Ich kann seinen Anblick kaum ertragen. Er war so ein hübscher Junge. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Erst ist er schwul, und dann das!“
Da war er geflüchtet, hatte sich in seinem Zimmer verschanzt, verweigerte jeden Kontakt zu anderen. Es tat weh. Es schmerzte heute, fünf Jahre später, immer noch. Erst Marek hatte es geschafft, ihn aus dem Zimmer zu locken und mit viel Mühe auch die
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