Scarred Heart (German Edition)
er.
Rafael erstarrte, glaubte, sich verhört zu haben. Als die Erkenntnis durchsickerte, dass er endlich ein paar Antworten erhalten würde, ließ er sich auf die Seite fallen und machte es sich im Bett bequem. Marius dagegen stand auf und stellte sich mit dem Rücken zu Rafael ans Fenster, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Er wollte ihn nicht ansehen, während er seine Geschichte erzählte.
„Ich war achtzehn , als es passierte. Es war ein Freitag im Dezember und es lag Schnee auf den Straßen. Ich war mit ein paar Freunden in einem Club, wir haben gefeiert.“ Marius` Stimme klang emotionslos, flach. „Wir hatten wie immer Fahrer bestimmt, die nüchtern bleiben sollten. Das hatte bisher immer gut geklappt. Gegen Morgen hatten wir genug und machten uns auf den Heimweg. Ich hatte keine Ahnung, das Björn, der Fahrer, sich was eingeworfen hatte. Keiner von uns wusste es. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Jedenfalls, hatte sich eine Eisschicht unter dem Schnee gebildet. Björn fuhr viel zu schnell, trotz unseres Protests. Auf der Landstraße lieferte er sich ein Rennen mit dem Kumpel im anderen Auto. Was sich der andere dabei dachte, weiß ich bis heute nicht. Unsere Einwände ignorierte er einfach!“
Rafael schrak zusammen, als Marius seine Faust heftig auf die Fensterbank knallen ließ. Seine Schultern wirkten verkrampft, er zitterte. Doch er dachte an Marius Warnung und blieb, wo er war, obwohl er den Kleinen am liebsten in seine Arme gezogen hätte. Erneut ließ Marius seine Faust niedersausen, atmete tief ein, wieder aus und erzählte weiter:
„ Auf einer Geraden, kurz vor einer scharfen Kurve, waren beide Autos neben einander. Wenigstens war sonst niemand unterwegs. Es kam wie es kommen musste: Beide bremsten heftig, aber durch das Eis…. Wir rutschten geradeaus, durchbrachen die Leitplanke und stürzten fast 10 Meter den steilen Abhang dahinter hinunter. Ein Baum beendete die Fahrt.“
Erneut brach Marius ab. Er starrte in die Ferne, stand ganz still am Fenster. Rafael ahnte, dass der Kleine sich in seinen Erinnerungen verlor. Er fühlte sich unwohl, wollte das Ganze hier beenden, nur damit Marius aufhörte, daran zu denken. Doch er wusste auch, sollte er ihn jetzt unterbrechen, wäre die Gelegenheit vertan und Marius würde sich wieder verschließen.
Ein Seufzen vom Fenster lenkte Rafaels Aufmerksamkeit wieder auf den Kleinen.
„Ich war der Beifahrer. Das Auto war mit meiner Seite an den Baum geprallt. Wir waren regelrecht darum gewickelt. Die Fahrt, den Absturz…das hab ich alles bei vollem Bewusstsein erlebt. Noch heute träume ich davon, sehe den Baum, höre den Knall. Die Schmerzen. Glas hatte meine Wange aufgeschlitzt, auch meine Hände hatten was abgekriegt. Aber es hielt sich in Grenzen. Mein rechtes Bein war eingeklemmt. Die anderen hatten mehr Glück. Sie krabbelten aus dem Auto, halfen dann noch Constantin, der hinter mir gesessen hatte, aus dem Wrack. Con war besser dran.
Mein Bein war also eingeklemmt, die Tür war durch den Baum blockiert. Jemand sagte, dass der Notarzt unterwegs sei. Auch die Feuerwehr. Meine Freunde sprachen mit mir, versuchten, mich herauszuholen, was aber nicht ging.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten. Nur, die Bremsleitung hatte was abbekommen und der Tank auch. Alle standen sie unter Schock, und einer zündete sich eine Zigarette an. Anstatt sie auszutreten, schnippte er sie gegen den Baum.“
Marius Stimme war immer leiser geworden, sodass Rafael ihn zum Schluss kaum noch hören konnte. Mit wachsendem Grauen hatte er zugehört. Er sprang aus dem Bett und war mit zwei Schritten bei Marius und zog ihn in seine Arme. Mit Schreck bemerkte Rafael, dass der Kleine ganz kalt war. Entschlossen bugsierte er Marius zum Bett, drückte ihn darauf. Dann zog er die Bettdecke über den Körper und packte ihn warm ein.
Dann ging er zur Tür und rief nach Marek. Der kam auch gleich ums Eck gelaufen, scheinbar hatte er nur darauf gewartet.
„Mach Kaffee und Tee. Marius ist ganz kalt, ich glaube, er steht unter Schock!“, rief er ihm zu.
Marek nickte: „ So was hab ich mir schon gedacht. Es fällt ihm nicht leicht, darüber zu reden!“, drehte sich um und ging, um die gewünschten Sachen zu holen.
Rafael kehrte ins Zimmer zurück, legte sich zu Marius unter die Decke und zog i hn mit dem Rücken an seine Brust, damit er ihn wärmen konnte. Der Kleine gab keinen Mucks von sich, lag wie eine schlaffe Puppe da. Er konnte sich denken,
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