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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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jedoch aufzulösen schien. Die Nase war eingesunken und grau, in den Augenwinkeln und an den Wangenknochen keimten weiße Pusteln. Der Tod öffnete seinen Mund. Hannah sah glitzernden schwarzen Speichel.
    »Bringt sie ins Gefängnis zurück«, befahl er.
    Hannah tastete nach Long Meg. »Bitte, lass mich nicht sterben«, flüsterte sie.
    Long Meg drückte ihre Hand. »Kein Knastfieber, Sir«, sagte sie laut. »Die hat nur ihren Monatsgast, wenn Sie verstehen, was ich meine. Das schlägt sie total nieder, soll aber gut sein für viele Kinderchen. In ein paar Tagen ist die wieder munter wie ein Schwälbchen.«
    Keine Antwort. Hannah schnappte nach Luft.
    »Also gut«, sagte der Tod. »Leutnant Belforte! Geleiten Sie die Dame bitte zu ihrer Kabine.«
    Jemand warf eine Decke über Hannah und dann wurde sie von starken Armen hochgehoben. Sie sog den Duft von Lavendel ein.
    »Mr Behr«, murmelte sie. »Sie leben. Sie wollen mich retten.« Sie lehnte den Kopf an seine starke Brust. Die Arme schlangen sich noch fester um sie.
    »Ganz still«, sagte eine Männerstimme, »ich werde mich um Sie kümmern.«
    Hannah regte sich. Das war nicht Mr Behr. Aber sie fühlte sich in seinen Armen so sicher, dass es ihr nichts ausmachte. Der Mann trug sie ein ganzes Stück weit. Der liebliche Lavendelduft wurde vom Gestank fauler Fische überlagert. Hannah hörte das Schreien der Möwen und ein leises, sanftes Brausen, das sie in den Schlaf wiegte.

TEIL II
Der weiße Bär

Scatterheart wanderte einen Tag um den anderen, bis sie zu einem hohen Felsen kam. Dort begegnete sie einer alten Frau, die war ganz aus Sägespänen und spielte mit einer Eichel aus Kupfer. Scatterheart fragte sie, wie sie zu ihres Vaters Haus komme.
    Hannah setzte sich kerzengerade auf und stieß sich den Kopf. Sie blickte sich verwirrt um. »Immer mit der Ruhe«, sagte Long Meg und gähnte. »Es ist verdammt früh.«
    Um sie herum war alles düster. Durch eine Art Luke in der Decke fiel schwaches Licht. Hannah brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass sie sich in einem länglichen Raum mit Bretterwänden, einer niedrigen Decke und offenen Balken befanden. Wo sie hinsah, überall schliefen Frauen in Stockbetten, die die Wände entlang aufgestellt waren. Dazwischen verlief ein schmaler Gang. Am anderen Ende des Raums beleuchtete ein etwas hellerer Lichtkegel eine steile Treppe mit einem Seilhandlauf.Die Frauen lagen auf Strohsäcken mit rauen Hanfdecken. Kissen gab es nicht.
    Und alle hatten das Gleiche an: schlichte Kleider aus grobem Köper. Hannah sah an sich herab und stellte fest, dass auch sie in so einem unförmigen grauen Kleid steckte. Sie merkte, dass sie weder Strümpfe noch Unterwäsche trug, und errötete.
    Long Meg hatte ebenfalls so ein Kleid an, darüber aber immer noch Hannahs pelzbesetzten Mantel. Er war schmutzig und verschlissen und der Pelz stumpf und abgenutzt.
    »Bin ich in der Hölle?«, fragte Hannah. Sie musste laut sprechen, um das eintönige, stetige Stampfen zu übertönen, das von allen Seiten auf sie einzudringen schien. Long Meg lachte. In dem Raum roch es nach Urin und Erbrochenem, genau wie im Gefängnis. Aber hier kamen noch andere Gerüche dazu: modriges Holz, Fisch und Salz. Hannah rümpfte die Nase. Plötzlich kippte der Raum zur Seite und sie fiel rücklings auf ihr Bett. Der Boden unter ihr rumpelte und schwankte. Hannahs Magen spielte verrückt und sie bekam fürchterliche Angst.
    »Ich muss nach Hause«, sagte sie und rappelte sich auf.
    »Bisschen spät für so was«, entgegnete Long Meg.
    Wieder stieß Hannah mit dem Kopf an die niedrige Balkendecke über ihr. Sie bückte sich, stützte sich mit einer Hand ab und krabbelte zwischen den schlafenden Frauen hindurch zu dem weißen Licht am Fuß der Treppe.
    Am oberen Ende der Stufen waren in langer Reihe schaukelnde Hängematten befestigt. In manchen schlief jemand, aber die meisten waren leer und ordentlich aufgerollt. Links von Hannah befanden sich sechs geschlossene Türen. Aus der unteren Ebene, von der sie gekommen war, wuchs ein dicker, runder Pfosten, der durch die Holzdecke nach oben verlief. Er sah wie ein Baumstamm aus. Daneben führte eine Treppe noch weiter hinauf. Hannah hielt sich am Seil fest und kletterte hoch.
    Auf dieser Ebene war es viel heller. Links von ihr waren wieder sechs Türen und rechts von ihr war … etwas blendend Weißes. Sie ging darauf zu. Hannah stockte der Atem.
    Sie war auf einem Schiff.
    Sie stand auf einem hölzernen Deck, das zum Wasser

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