Scatterheart
Schildkrötensuppe.«
Die Schildkröte stieß ein ängstliches Jaulen aus und machte einen komischen kleinen Luftsprung. Die Zuschauer lachten. Dann begann die Schildkröte langsam und schwerfällig zu tanzen.
Ein Matrose mit Zylinder, der, wie Hannah erfuhr, Tam Chaunter hieß, zog eine Fidel hervor und spielte eine lustige Melodie. Der Tanz der Schildkröte wurde heftiger, sie hüpfte auf und nieder und ihre kurzen Beine sprangen vor und zurück. Die versammelte Mannschaft und die Sträflinge jubelten und Long Meg grinste. Aber Hannah bemerkte den Schweiß auf ihrer Stirn.
Tam Chaunter beendete sein Lied und fing gleich mit dem nächsten an. Die Matrosen und die Frauen klatschten und stampften mit den Füßen im Takt der Musik. Die Schildkröte kreiselte und hüpfte immer schneller.
Als das zweite Lied zu Ende war, sagte einer der Offiziere etwas zum Bootsmann, worauf dieser in seine Pfeife bliesund die Matrosen murrend an ihre Arbeit zurückkehrten. Captain Gartside wandte sich um und verschwand in seiner Kajüte.
Einige Matrosen verteilten Scheuersteine an die Frauen und wiesen sie an, die Decks zu schrubben. Hannah nahm ihre Steine entgegen und ließ sich auf Knie und Hände nieder. Sie sah zu Long Meg hinauf, die mit einiger Mühe die Stufen vom Achterdeck hinunterkletterte. Keuchend und schwitzend kam sie unten an. Sie versuchte sich hinzusetzen, um wieder zu Atem zu kommen, aber das Fass war zu sperrig.
Schmollend kauerte sie am Ankerspill, aber dann hob eine besonders große Welle das Schiff in die Höhe, es neigte sich zur Seite und Meg verlor das Gleichgewicht. Krachend stürzte sie auf die Planken. Das Fass kam ins Rollen und kullerte mit Meg bis zum anderen Ende des Decks. Die Matrosen lachten, aber in Megs Augen glitzerten Tränen.
Das Schiff hob sich wieder und Meg rollte zur anderen Seite und verfehlte nur knapp den Niedergang zum unteren Deck. Sie versuchte auf die Füße zu kommen, das Fass war jedoch zu groß und zu schwer. Sie wedelte jämmerlich mit Armen und Beinen.
»Helft mir, ihr dreckigen Metzen!«, zischte sie den anderen Frauen zu. »Helft mir oder ich schwöre, dass ich euch im Schlaf die Augen aussteche!«
James beobachtete sie vom Achterdeck aus.
»Ihr vertrockneten, alten Wanderhuren!«, stieß Meg mit tränenerstickter Stimme hervor.
Die anderen Frauen schauten zu Boden und taten, als merkten sie nicht, dass Long Meg weinte.
»Kommt weiter, Mädels«, sagte Cathy.
Long Megs wütende Blicke meidend, schlichen die Frauen davon.
Hannah biss sich auf die Lippe und ging zu Meg. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass James den Kopf schüttelte. Sie beugte sich herab und packte Meg am Arm. Die kam schwankend auf die Füße und hielt sich am Rand einer Schießscharte fest, um nicht vornüberzukippen.
»Hau ab«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Bitte?«, fragte Hannah verwirrt. Sie dachte, sie hätte Meg einen Gefallen getan.
»Du bringst dich in Teufels Küche«, erklärte Meg. »Geh schon!«
Bei Einbruch der Nacht bettelte Meg freigelassen zu werden und versprach für den Rest der Reise nüchtern zu bleiben und sich gut zu benehmen. Das Fass wurde entfernt.
Hannah erschrak, als Meg in den Schlaftrakt hinunterkam. Sie war über und über mit blauen Flecken und Schürfwunden bedeckt, die sie sich in dem harten Holzfass zugezogen hatte.
Als sie an Cathys Schlafplatz vorbeiging, spuckte sie aus. »Verräterin«, flüsterte sie.
»Siehst du?«, sagte sie zu Hannah und ließ sich stöhnend auf ihr Bett nieder. »Die Offiziere sind unsere Feinde. Sie hassen uns genauso, wie wir sie hassen. Auch dein Schönling von Leutnant.«
Hannah dachte an James’ Gesichtsausdruck, als er Long Meg das Fass übergestülpt hatte.
»Ich weiß nichts über deinen Vater und deines Vaters Haus«, sagte die Glasfrau. »Ich weiß nur, dass du zu spät oder nimmermehr dorthin kommen wirst. Aber nimm diese Eichel aus Silber und frage meine Nachbarin auf dem nächsten Felsen.«
Hannah träumte, sie sei wieder zu Hause. Sie setzte mit Thomas das Puzzle mit der Weltkarte zusammen. Sie alberten, erzählten sich Witze und lachten.
»Dieses Teil sieht fast aus wie eine Kuh«, sagte Thomas und hielt Polen hoch.
»Oder wie Mr Burchill mit dem langen Schnauzer«, überlegte Hannah.
Sie suchte Afrika heraus und platzierte es unterhalb von Europa. Dann kamen Nord- und Südamerika, China und Russland. Hannah runzelte die Stirn. Es waren keine Puzzleteile mehr übrig.
»Da fehlt
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