Scatterheart
ein paar Spitzen.«
»Mein Lieblingskleid war aus rosa Musselin!«, platzte Hannah heraus.
»Und bestimmt haben Sie bildschön darin ausgesehen.«
»Sie sind immer bildschön«, sagte Hannah leise, ohne darüber nachzudenken, und ihre Wangen erröteten. »Ich … ich muss jetzt gehen«, stotterte sie und erhob sich. »Es ist spät geworden.« Sie eilte zur Treppe.
»Hannah!«, rief James.
Hannah drehte sich um. Es war ihr peinlich, dass ihr Kleid hinten, wo sie auf dem feuchten Holz gesessen hatte, einen nassen Fleck hatte.
»Träum süß«, sagte James und lächelte. Seine Zähne sahen in der Dunkelheit sehr weiß aus.
Am nächsten Tag war der Himmel bewölkt, aber es blieb trocken. Die Sträflinge strömten auf das Oberdeck, sie lechzten nach frischer Luft.
Hannah und Meg lehnten an der Reling. Hannah erzählte ihrer Freundin von ihrem Abend mit James und was für ein Gentleman er gewesen sei. Molly lungerte nur wenige Schritte entfernt herum – sie folgte Meg seit einiger Zeit wie ein Hündchen.
Long Meg schnaubte. »Wenn er ein Gentleman wäre, hätte er dich auf seinem Mantel sitzen lassen. Du tust dir keinen Gefallen, wenn du mit diesem Schönling schäkerst. Die Männer sind alle gleich. Wir Frauen müssen zusammenhalten.«
»Das sagst ausgerechnet du, Meg«, erwiderte Hannah.
»Du verbringst doch jede Nacht in einer anderen Hängematte.«
Molly kicherte, worauf Hannah sie böse ansah.
»Das ist etwas anderes«, entgegnete Meg. »Das mache ich für Geld, Grog und Schutz.«
Hannah zuckte die Achseln.
»Nun, vielleicht ist das bei mir auch so, nur dass ich es damenhafter anstelle.«
»Damenhafter? Pah! Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Was du machst, ist keine Spur damenhaft. Du bist wie eine läufige Hündin, die ihm schöneAugen macht. Verknallt hast du dich in den Schnösel. Pass nur auf, wo das endet.«
»Und wenn?«, fragte Hannah verärgert und wandte sich ab. Sie wunderte sich über sich selbst. War sie im Begriff, sich in James zu verlieben?
Long Meg drehte Hannah wieder zu sich herum und sah ihr in die Augen.
»Pass auf dich auf, Frollein. Pass verdammt gut auf. Er ist gefährlich.«
Hannah schob Long Meg von sich.
»Er ist ein Gentleman. Wir sind beide aus gutem Hause. Was ist daran so falsch?«
»Eins weiß ich mit Sicherheit«, sagte Long Meg. »Dieser Leutnant Belforte ist kein Gentleman.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Hannah.
»Also, erstens, sein richtiger Name ist nicht Belforte, sondern Buffet. Und sein Papa ist auch kein Gentleman. Der kommt von unten, genau wie ich. Hat sein Vermögen mit Knöpfen gemacht.«
Hannah blinzelte. James kein Herr von Stand? Er hatte doch ein so vornehmes Benehmen.
»Aber das ist nicht der Grund, warum er kein Gentleman ist«, fügte Long Meg hinzu und ging. Molly sprang hinter ihr her. Mit einem triumphierenden Blick auf Hannah hakte sie sich bei Long Meg unter.
Hannah kochte vor Wut. Meg unterhielt sich mit Jemmy Griffin. Ihre verschlagene Miene und das schrille Gekichervon Molly ließen keinen Zweifel aufkommen, worüber sie sich unterhielten. Liebe? Long Meg hatte keine Ahnung von Liebe. Für sie zählten nur ihre eigenen Interessen. Hannah schaute zum Achterdeck hinauf. Dort stand Dr. Ullathorne und beobachtete Meg wie ein Habicht seine Beute. Wahrscheinlich musste Meg wieder einmal in den Bau. Hannah seufzte und blickte über die wogende See.
Ein heiseres Kreischen veranlasste sie, sich wieder umzudrehen. Long Meg hatte ihren Matrosen stehen lassen und sich einem Midshipman zugewandt, den sie mit einer Tirade von Beschimpfungen überschüttete. Sie zog über sein Aussehen, seine Mutter und seine sexuellen Aktivitäten her. Hannah warf einen Blick zum Achterdeck hinüber und wartete darauf, dass Long Meg fortgeschafft werden würde.
Dr. Ullathorne stand nur reglos da und beobachtete Meg mit einem leisen Grinsen. Der Midshipman schenkte ihr keine Beachtung. Hannah erinnerte sich, dass James von einer Überraschung gesprochen hatte, und wandte sich suchend nach ihm um. Er war nirgends zu sehen.
Long Meg war frustriert, weil ihr Gezeter keine Wirkung zeigte. Sie ging zum nächsten Offizier. Wieder dasselbe. Schließlich lief sie zu der Treppe, die zum Achterdeck hinaufführte.
Molly steckte sich die Faust in den Mund und trieb sich am Fuß der Treppe herum. Hannah hielt die Luft an. Siehatte schon erlebt, dass Matrosen ausgepeitscht wurden, weil sie unerlaubt das Achterdeck betreten hatten.
Meg
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