Scatterheart

Kopf.
    Dabei verrutschte seine Delfinschnauze.
    »Siehst du«, wisperte Hannah, »es sind nur Matrosen. Sie haben sich verkleidet. Das ist Jemmy Griffin. Er trägt ein Delfinkostüm.«
    Aber Molly war immer noch starr vor Entsetzen und schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte sie, »das ist Davy Jones, die Königin …«
    »In Wirklichkeit ist das nicht Davy Jones«, sagte Hannah.
    »Das ist nur jemand, der sich verkleidet hat.«
    Die geschminkten Männer brachen in Jubel aus, denn jetzt wurden vom Achterdeck Flaschen heruntergereicht. Einer der Männer übergab Neptun ein großes in Leder gebundenes Buch. Der stattliche Delfinkönig schlug es auf und las laut die Namen der jüngsten Matrosen und Offiziere vor. Als er zu Bracegirdle kam, reckte der Knabe seinen Kopf und setzte eine tapfere Miene auf.
    »Ihr armseligen Kaulquappen habt noch nie die Linie überquert. Ihr müsst euch der Taufe unterziehen.«
    Die geschminkten Männer johlten und ergriffen die jungen halbnackten Burschen. Sie fesselten sie an den Händen und tunkten sie in Fässer voll Bilge und stinkender Abwässer. Dann wurden sie mit Teer und Schmieröl übergossenund über Bord geworfen. Dies alles war von derben Rufen und Gelächter begleitet. Die Flaschen wurden geöffnet und die verdreckten jungen Männer wieder an Bord gehievt. Bracegirdle, nass und klebrig, sah aus, als würde er vor Stolz platzen. Nun setzte Tam Chaunter seine Fidel an und alle fingen an zu tanzen.
    »Holt die Frauen herauf!«, rief König Neptun.
    Die Frauen wurden an Deck gebracht. Zuerst betrachteten sie die rot bemalten Männer und die Girlanden aus Seetang mit großen Augen. Aber dann floss reichlich Alkohol und die Luft war bald von Lachen und Liedern erfüllt.
    Hannah blickte sich suchend nach Long Meg oder James um, konnte aber keinen von beiden entdecken. Als noch mehr Laternen angezündet wurden, erkannte Hannah deutlich, wie grob die Kostüme zusammengeschneidert worden waren. Aber Molly zitterte trotzdem am ganzen Leib und konnte ihre Augen nicht von Amphitrite und Davy Jones lösen.
    »Molly«, versuchte Hannah sie wieder zu beruhigen, »es ist alles vorbei. Jetzt feiern sie einfach ein großes Fest. Hilfst du mir Long Meg zu suchen?«
    Molly hob zitternd die Hand und zeigte auf die Königin Amphitrite, die mit einem der Matrosen wild im Kreis tanzte. Ihre goldenen Locken fielen ihr ins Gesicht, sodass Hannah es nicht sehen konnte.
    »Nein, du Dummchen«, lachte Hannah, »das ist doch nur ein Matrose in einem Kleid. Das ist nicht Long Meg.«
    Molly drehte sich zu Hannah um und für einen Augenblickwar das kichernde Kind, das Verschen trällerte und Geld stibitzte, hinter einem sehr ernsten, traurigen Gesicht verschwunden.
    »Das ist aber das Kleid von Long Meg«, brachte Molly hervor. »Ihr grüner Mantel.«
    Hannah erstarrte.
    Tatsächlich, die Gestalt trug Megs pelzbesetzten Mantel – Hannahs Mantel. Er war so schmutzig und zerlumpt, dass sie ihn nicht gleich erkannt hatte. Der Pelzbesatz war abgerissen. Und die goldenen Locken waren keine Haare, sondern gelockte Hobelspäne, die zu einer Perücke zusammengesteckt worden waren.
    Hannahs Kopf dröhnte und ihr wurde schwindelig. Sie rannte zu der tanzenden Königin, die ihr den Rücken zukehrte, packte sie an der Schulter und riss sie zu sich herum.
    »Woher haben Sie …«, rief Hannah und verstummte.
    Es war James. Seine Augen blitzten vor Vergnügen und sein Mund hing vom vielen Rum schlaff herunter.
    »Hannah!«, rief er. »Tanz mit mir!« Er legte seinen Arm um ihre Taille, hob sie hoch und wirbelte sie im Kreis.
    »Das Kleid …«, sagte Hannah atemlos. »Woher haben Sie Megs Kleid? Wo ist sie?«
    James lachte laut auf. »Sie machen sich zu viele Sorgen, meine süße, kleine Hannah.« Er drehte sie wieder im Kreis herum. »Meg schläft in meiner Kabine. Sie hatsich neulich erkältet und ruht sich aus. Sie will nicht gestört werden. Das Kleid hat sie mir für die Linientaufe ausgeliehen.«
    Hannah nickte langsam und wartete auf ein Gefühl der Erleichterung.
    Sie erinnerte sich daran, wie Long Meg unten im Orlopdeck James zugezwinkert und gesagt hatte:
Ich glaube, sie wären einem Tänzchen mit einem leichten Mädchen nicht abgeneigt, Mister
.
    James wirbelte sie herum, seine Spanhaare klatschten ihr ins Gesicht und sein Schnapsatem nahm ihr die Luft.
Vielen Dank, Meg, aber heute bin ich nicht in Tanzstimmung
. Sie erinnerte sich an seinen spöttischen Blick.
Leute wie sie sind wie Tiere
. Sie erinnerte