Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
Vom Netzwerk:
hinaus, die von jeweils zwei Matrosen gehalten wurden. Auf der einen Planke lag der Leichnam von Bracegirdle,der in seine Hängematte eingenäht worden war. Hannah hörte Patty erzählen, dass der letzte Stich durch die Nase des Seemanns geführt wurde, um sicherzugehen, dass er wirklich tot war. Die Hängematte war mit zwei Kanonenkugeln beschwert, damit der Leichnam auch wirklich unterging. Über dem Bündel war eine rote Fahne drapiert.
    Auf der anderen Planke befand sich ein Gebinde aus Hanfseilen, da der Leichnam von Dr. Ullathorne nicht geborgen werden konnte. Auch dieses war mit einer roten Fahne geschmückt.
    Das Schiff war gestoppt worden und schaukelte leise auf dem Wasser. Die blau-roten Flaggen standen auf halbmast. Captain Gartside nickte dem Bootsmann zu, worauf dieser seine hohle Hand an den Mund legte und rief: »Alle Mann Hut ab!«
    Die Offiziere und Matrosen zogen ihre Hüte. Die Frauen neigten die Köpfe und falteten die Hände.
    Captain Gartside schlug die Bibel auf und las laut vor.
    »Ich sagte«, begann er, »ich will auf meine Wege achten, damit ich nicht sündige mit meiner Zunge. Ich legte meinem Mund einen Zaum an. So blieb ich stumm und still. Heiß wurde mir das Herz in der Brust, bei meinem Grübeln entbrannte ein Feuer.«
    James stand links vom Captain. Er schaute Hannah unverwandt an. Dann blickte er kurz auf den Hanfkranz und warf Hannah danach ein eigenartiges Lächeln zu.
    Wusste er etwas? Sie sah starr auf ihre Hände und versuchte ihre Panik zu verbergen.
    »Nur wie ein Schatten geht der Mensch einher, um ein Nichts macht er Lärm. Er rafft zusammen und weiß nicht, wer es einheimst.«
    Hannah schloss die Augen und wünschte, sie wäre bei Thomas. Sie dachte daran, wie schlecht sie ihn behandelt hatte. Keinen Deut besser als James war sie gewesen. Sie schaute wieder zu ihm hinauf. Er sah sie immer noch unentwegt an.
    »Wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.«
    Captain Gartside klappte die Bibel zu und blickte über das Meer. Alle warteten, dass er etwas sagen würde.
    Hannah stiegen Tränen in die Augen. Warum hatte Long Meg keine Seebestattung erhalten? Warum hatten die Matrosen nicht vor ihr den Hut gezogen und sich verneigt? Hannah fragte sich, was mit ihrem Leichnam geschehen sein mochte, und stellte sich vor, wie Dr. Ullathorne und James ihn mitten in der Nacht über die Reling geworfen hatten.
    Captain Gartside seufzte und wandte sich an die Versammelten. »Somit übergeben wir ihre Leiber der Tiefe und der Verwesung anheim, auf dass sie wieder auferstehen mögen, wenn die See ihre Toten entlässt. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Der Herr segne sie und behüte sie.«
    »Amen«, murmelten die Männer und Frauen.
    »Amen«, sagte Hannah bitter und dachte an Long Meg. Die vier Seeleute, die die Planken festhielten, kippten sie hinten hoch und hielten gleichzeitig die Enden der Flaggen fest. Der eingenähte Leichnam und der Hanfkranz rutschten nach unten und schlugen platschend auf den Wellen auf. Der Kranz hüpfte auf der Wasseroberfläche, der Leichnam aber wurde sofort in die Tiefe gezogen.
    Drei Tage waren vergangen, als Hannah eines Morgens von Rufen geweckt wurde. Sie kamen von den Männern an Deck. Über sich hörte sie Fußgetrappel.
    Sie lauschte angestrengt, konnte aber nichts verstehen. Auch die anderen Frauen waren aufgewacht und spitzten die Ohren. Susan, die der Treppe zum Kanonendeck am nächsten lag, stieß einen heiseren Schrei aus.
    »Land ahoi«, sagte sie aufgeregt. »Sie rufen ›Land ahoi‹.«
    Da kannten die Frauen kein Halten mehr und drängten hinauf an Deck. Hannah schlängelte sich zwischen den Frauen und Seeleuten durch und kletterte, Molly immer im Schlepptau, zum Vorderdeck hinauf. Sie vermied es, die Stelle anzusehen, wo der Arzt über Bord gegangen war, und beugte sich, so weit sie konnte, über die Reling. Am Horizont zeichnete sich ein dunkler Schatten ab. Hannah brach in Tränen aus.
    Der Fleck am Horizont war nicht Port Jackson, sondern Van-Diemens-Land, das den südlichsten Punkt des neuenKontinents bildete. Bis Port Jackson würde es noch einmal drei Wochen dauern, erklärte ihnen Dollard, der Steuermann. Trotzdem, der Fleck bedeutete, dass sie den Atlantik und den südlichen Ozean überquert hatten. Sie befanden sich nun im Land hinter den Meeren.
    Das weiße Gesicht von Dr. Ullathorne verfolgte Hannah bis in ihre Träume. Sie versuchte, nicht daran zu denken, und konzentrierte sich auf ihr Traumbild von der

Weitere Kostenlose Bücher