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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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dann bei ihm?«
    Hannah lächelte bitter. »Ich glaube nicht, dass mir etwas anderes übrig bleibt.«
    »Sie hätten Ihre Strafe absitzen und nach London zurückgehen können«, entgegnete Dr. Redfern.
    »Was soll ich dort?«, fragte Hannah. »Ich habe keine Familie mehr. Keine Freunde. Gar nichts.«
    Dr. Redfern biss sich auf die Lippe. »Haben Sie mit Leutnant Belforte darüber gesprochen?«
    »Das bringt nichts. Außerdem interessiert er sich nicht für die Probleme eines Sträflings.«
    »Ich verstehe«, murmelte Dr. Redfern und kräuselte besorgt die Stirn.
    »Es tut mit leid, dass ich Ihre Zeit gestohlen habe«, entschuldigte Hannah sich, »aber ich glaube, ich bin ein hoffnungsloser Fall.«
    Der Doktor zögerte, dann griff er in seine Tasche und zog ein rechteckiges Stück Papier heraus.
    »Hier ist meine Karte mit meiner Adresse«, sagte er. »Falls Sie mal etwas brauchen. Irgendetwas. Vielleicht auch nur ein Gespräch.«
    Hannah nahm sie skeptisch entgegen.
    Dr. Redfern überlegte einen Augenblick, schließlich sagte er: »Sie wissen sicherlich, dass ich auch ein Sträfling bin?« Hannah schaute überrascht auf. »Sie?«
    »Ja«, antwortete er, »zumindest war ich einer.«
    Hannah starrte ihn an. Er wirkte so vornehm. Und er war in der Kolonie hoch angesehen.
    Dann kam James zurück. Hannah fragte sich, ob er wusste, dass Dr. Redfern ein ehemaliger Sträfling war.
    Der Speisesaal war mit dunklen Mahagonimöbeln ausgestattet. An den Wänden brannten Öllampen und auf den Tischen Kerzen. Die Gormans hatten bereits Platz genommen. Mr Gorman war ein dünner, grauhaariger Mann mit einem Monokel. Er hatte eine altmodische, maßgeschneiderte Jacke und Kniehosen an. Mrs Gorman war eine aufdringliche Frau in einem grellorangefarbenen Taftkleid und mit einem dazu passenden ausladenden Turban. Hannah fand beide auf den ersten Blick unsympathisch. Als sie an den Tisch traten, verbeugte sich James.
    »Mr und Mrs Gorman, darf ich Ihnen Hannah, meine Frau, vorstellen?«
    Hannah erstarrte und sah James überrascht an. Seine
Frau?
    »Benimm dich gefälligst«, murmelte er und schob sie nach vorn, damit sie Mrs Gorman die Hand geben konnte. »Guten Tag, Mrs Belforte«, begrüßte Mrs Gorman sie. Ihre Hand fühlte sich feucht an und erinnerte Hannah an Mr Harris in London. Sie lächelte hölzern und ihr Kiefer verkrampfte sich. Dann nahmen sie Platz.
    Das Essen zog sich endlos in die Länge. Mrs Gorman trank viel und redete pausenlos von der neuesten Mode in London und dass es in der Kolonie einfach keine guten Dienstboten gebe. Ein paar Mal versuchte Hannahdas Gespräch auf Literatur oder Kunst zu bringen, aber Mrs Gorman ging nicht darauf ein.
    Nichts, was Hannah tat oder sagte, war richtig. Als erster Gang wurde getrockneter Dorsch serviert und sie äußerte ihre Verwunderung darüber, dass es in der Kolonie so wenig frischen Fisch gab.
    »Wir sind von Wasser förmlich umgeben«, sagte sie. »Und doch habe ich seit meiner Ankunft nur getrockneten Hering und geräucherten Lachs bekommen!«
    Die Gormans wechselten einen Blick und Hannah sah zu James, der missbilligend seine Lippen spitzte.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte sie.
    James versuchte zu lächeln, aber das Lächeln war so gezwungen, dass es wie eine Grimasse aussah.
    »Meine Liebe«, erklärte er, »nur die Sträflinge hier essen einheimischen Fisch. Wir wollen uns ihnen doch nicht gleichmachen?«
    Mr Gorman räusperte sich. »Es geht nichts über guten englischen Fisch, sage ich immer. Es gibt nichts Vergleichbares.«
    »In der Tat«, flötete Mrs Gorman.
    Hannah blickte sie zornig an. Sie sah aus wie ein dickes rosa Schwein in einem orangefarbenen Kleid. Eine peinliche Pause entstand.
    »Haben Sie gehört, wie der Straßenbau durch das Gebirge vorangeht?«, fragte Mr Gorman.
    James zuckte die Achseln.
    »Alles verläuft planmäßig. Gouverneur Macquarie rechnet bis Mitte nächsten Jahres mit der Fertigstellung.«
    »Was für eine schreckliche Vorstellung, durch dieses Gebirge reisen zu müssen«, verkündete Mrs Gorman. »Überall Murkys und wilde Tiere.«
    »Unsinn, Mary«, entgegnete Mr Gorman. »Diese Straße wird völlig sicher sein.«
    Mrs Gorman schüttelte den Kopf und winkte dem Kellner, damit er ihr nachschenke.
    »Aber nein, mein Schatz«, tönte sie, »hast du nicht von diesem wilden Mann gehört?«
    Mr Gorman schnaubte verächtlich.
    »Da ist bestimmt nichts dran«, sagte James mit einem seltsamen Blick auf Hannah.
    »Doch, doch!«,

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