Scatterheart
widersprach Mrs Gorman. »Es heißt, dieser Offizier habe sich in den Bergen versteckt und lebe wie ein Murky. Sie wissen schon, der Mann, der diesen Mord …«
»Mrs Gorman, wie schmeckt Ihnen der Lammbraten?«, unterbrach sie James. Sein Gesicht war zu einer wütenden Grimasse verzerrt.
Hannah starrte ihn an. Hatte Mrs Gorman etwa gerade von Thomas gesprochen? Ihr Herz raste.
Mrs Gorman hatte James’ rüden Ton nicht bemerkt und beklagte sich jetzt, dass
richtiger
Senf fehle.
»Ich glaube Ihnen«, sagte Hannah plötzlich. Alle drehten sich zu ihr. James’ Gesicht war dunkelrot vor Zorn.
»Ich glaube Ihnen, Mrs Gorman«, wiederholte Hannah.
»Diese Geschichte von dem wilden Mann in den Bergen. Erzählen Sie mir mehr davon.«
»Das schickt sich nicht, Hannah«, ermahnte sie James.
»Ach, seien Sie doch nicht so fad, Leutnant«, entgegnete Mrs Gorman und sah dann zu Hannah. »Es heißt, er hätte sich in eine Sträflingsfrau verliebt und einen Vorgesetzten ermordet, der die beiden erwischt hat … stellen Sie sich nur vor.«
»Das reicht«, blaffte James.
»Ich finde, das ist eine so romantische Geschichte«, seufzte Mrs Gorman.
»Ich sagte, das reicht«, wiederholte James. »Mrs Gorman, eine ehrbare Frau wie Sie sollte nicht auf das Geschwätz des Pöbels hören.«
Mrs Gorman schaute ihn erschrocken an und klappte den Mund zu. Mr Gorman machte sich an einer Schüssel mit grünen Bohnen zu schaffen. James wandte sich wieder an Hannah.
»Dieser Offizier wurde für sein Vergehen aufgehängt«, erklärte er. »Nur die Sträflinge behaupten etwas anderes, aber wer würde ihnen schon glauben?«
Hannah schluckte. Log er sie schon wieder an? Lebte Thomas womöglich?
»Vielleicht sollte ich es dann glauben«, sagte sie langsam, »immerhin bin ich ein Sträfling.« Sie schaute Mr und Mrs Gorman an. Mrs Gormans Mund stand vor Erstaunen offen.
»Hat mein Mann das nicht erwähnt?«, fragte Hannah und tat überrascht. »Ach herrje.«
James schwieg, aber Hannah sah, dass sein Gesicht fleckig rot war und an seinem Hals dicke Adern hervortraten. Ein Kellner erschien und deckte den zweiten Gang ab. Schalen mit Obst und Zuckerwerk wurden gebracht. Niemand sagte etwas. Hannah erhob sich und warf ihre Serviette auf den Tisch.
»Leider habe ich Kopfschmerzen«, verkündete sie. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.«
James kam erst spät in der Nacht in die Suite zurück. Hannah saß am Fenster und blickte auf die wenigen gelben Lichter von Sydney und in die unendliche Schwärze, die die Stadt umgab. Am Himmel funkelten Sterne, aber der Große Bär war immer noch nicht zu sehen. James schloss die Tür hinter sich und schaute Hannah mit glasigen Augen an.
»Du wirst lernen mich zu respektieren«, sagte er mit lallender Stimme. Er schwankte unsicher.
»Wieso sollte ich«, entgegnete Hannah. »Ich bin doch nur ein dreckiger, primitiver Sträfling. Und außerdem sind wir nicht verheiratet.«
»Doch, du bist meine Frau«, erwiderte James.
Eine Welle der Verbitterung erfasste Hannah. »Ach ja? Tut mir leid, aber ich kann mich nicht an unseren Hochzeitstag erinnern. Hatte ich ein schönes Brautkleid an?Wer hat unsere Ehe geschlossen? Hat mein Vater mich zum Altar geführt?«
»Hier funktioniert das anders«, sagte James.
»So anders auch nicht«, entgegnete Hannah. »Ich würde niemals einwilligen deine Frau zu werden.«
James lachte schallend. »Was meinst du, was du getan hast, als du in der Fabrik mein Taschentuch aufgehoben hast?«
Hannah starrte ihn wie vom Donner gerührt an.
Er seufzte. »Ich habe es satt, mit dir zu streiten, Hannah. Ich möchte nur, dass du glücklich wirst.«
Hannah runzelte die Stirn. »Nein, das möchtest du nicht. Du möchtest, dass ich deinem Bild von einer perfekten Ehefrau entspreche. Dir ist es egal, wie es mir geht. Ich bin nur eine deiner Anschaffungen, wie ein neues Pferd oder ein Paar Manschettenknöpfe. Deine Eintrittskarte in die feine Gesellschaft.«
Mit einem heftigen Ruck riss sich James die Krawatte vom Hals. »Ich bin sehr geduldig mit dir gewesen, Hannah«, fuhr er sie an. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich verzogen. »Aber langsam ist meine Geduld am Ende. Du hast mich heute Abend gedemütigt. Mr und Mrs Gorman sind nette Leute.«
Hannah kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Sie verkörpern alles, was ich hasse«, sagte sie. »Sie sind oberflächlich, herzlos und selbstsüchtig. Du findestSträflinge vulgär? Die Gormans sind ein
Weitere Kostenlose Bücher