Scepter und Hammer
Schuld bei. Hätte er nicht mit dem Herzoge gesprochen, sondern diesen sofort festgenommen, so wäre es diesem unmöglich gewesen zu entkommen. Dennoch aber hatte er die Ueberzeugung, daß er nicht entkommen könne, und in diesem Sinne lautete auch seine Aeußerung dem Arzte gegenüber.
»Herr Doktor, wir haben jetzt keine Zeit, auf nähere Details einzugehen. Lassen Sie morgen einen ausführlichen Bericht an Seine Majestät oder mich eingehen und nehmen Sie für jetzt die Gefangenen mit sich. Der Abbé kommt wieder in seine Nummer, und die Schließersleute detiniren Sie in eine sichere Zelle, bis Sie genaue Weisungen über sie erhalten.«
»Das werde ich thun. Aber ich befürchte, daß durch dieses von uns sehr unverschuldete Ereigniß Seine Majestät und auch Sie, Herr Doktor, über uns –«
»Beruhigen Sie sich,« unterbrach ihn Max. »Ich bin überzeugt, daß Sie Ihre Pflicht streng und treu gethan haben. Das Vertrauen auf Sie und Ihren Herrn Kollegen ist bis jetzt in keiner Weise erschüttert worden.«
»Aber, ich bin allein, und diese Drei?« –
»Sind gefesselt. Ueberdies werde ich Ihnen diesen Mann mitgeben, der Ihnen helfen wird sie zu bewachen.«
Er deutete auf Thomas.
»Ja, ich werde sie pewachen, und peopachten, daß es ihnen nicht wieder peikommen soll davonzulaufen,« antwortete dieser.
Die Gefangenen wurden in den Wagen des Arztes plazirt. Dieser selbst nahm mit dem Obergesellen bei ihnen Platz, und dann ging es fort.
Max wandte sich jetzt zu dem Unteroffizier der ihm mitgegebenen Soldaten:
»Ich übergebe Ihnen für kurze Zeit dieses Palais zur Bewachung. Es darf Niemand ein-oder auspassiren, und ich werde dafür sorgen, daß Sie baldigst abgelöst werden.«
Er verließ den Platz, um zum Könige zu gehen, ihm über das Vorgekommene zu referiren und mit ihm die Mittel zur Ergreifung des Herzogs zu berathen. Es braucht natürlich gar nicht erwähnt zu werden, daß er die auf dem Tische aufgezählten und in der Kasse des Herzogs außerdem noch vorgefundenen Gelder konfiszirt und mit sich genommen hatte. –Es war in derselben Nacht. Einer der wenigen Pässe, welche das Gebirge quer durchschneiden und die Verbindung zwischen Norland und Süderland vermitteln, wird oberhalb des Städtchens Waldenberg durch die nahe zusammentretenden, hoch zum Himmel strebenden Berge so eingeengt, daß er im wahren Sinne des Wortes ein Engpaß genannt werden muß und man ihn recht gut mit den berühmten Termopylen vergleichen könnte.
Die Straße, welche er bildet, steigt steil und in mannigfaltigen Windungen empor, stürzt sich dann auf der andern Seite des Gebirgszuges ebenso steil wieder ab, und die über zwei Stunden lange Enge bildet einen so natürlichen Vertheidigungspunkt, daß im Falle eines Krieges zwischen den beiden Ländern jede der beiden Mächte darnach trachten muß, sie zuerst in ihren Besitz zu bekommen.
Es war um die Zeit des Mondaufganges. Das silberne Licht des Trabanten unserer Erde beleuchtete eine sehr kriegerische Scene. Auf dem höchsten Punkte des Passes brannten mehrere Feuer, um welche sich wilde Gestalten gelagert hatten. Sie trugen keine militärischen Uniformen, sondern nur die Tracht ärmerer Gebirgsbewohner, aber die Messer, welche in ihren Gürteln staken, die kurzen Gebirgsstutzen, die sie in ihren Fäusten hielten oder neben sich liegen hatten, die gewaltigen Bärte, von denen ihre scharf und kühn geschnittenen Gesichter beschattet wurden, verriethen deutlich, daß sie nicht eines friedlichen Zweckes wegen hier zusammengekommen seien.
Im Scheine des Mondes und der Feuer konnte man mehrere riesige Verhaue erkennen, welche dadurch gebildet worden waren, daß man auf den beiden hochaufstrebenden Seiten des Passes mächtige Fichten und Tannen gefällt und heruntergestürzt hatte, die nun so über-und durcheinander lagen, daß sie Hindernisse bildeten, die nur mit großer Mühe und Anstrengung zu beseitigen waren. Gewaltige Steinblöcke, welche man dazwischen gewälzt hatte, gaben diesen Barrikaden eine noch erhöhte Festigkeit.
An einem der Feuer saß der Wirth von der Waldenberger Oberschenke. Die Männer an seiner Seite verhielten sich so ruhig, daß diese Gruppe von den andern, welche sich laut und lebhaft unterhielten, sehr abstach. Diese Schweigsamkeit hatte einen guten Grund: Seitwärts von dem Feuer lag nämlich auf einem duftigen Lager von Heu und mit einem Mantel sorgfältig zugedeckt eine weibliche Gestalt, deren Schlaf man durch lautes Reden nicht stören wollte.
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