Scepter und Hammer
welcher die unten im Thale sich halbkreisförmig windende Straße ganz ausgezeichnet beherrscht und bestrichen werden konnte, obgleich es von unten aus unmöglich war die Befestigung zu bemerken. Und zugleich war er so fest angelegt, daß Wallroth kein Bedenken trug, sämmtliche Geschütze hier zu plaziren.
Noch war man bei dieser Beschäftigung, als ein Mann sehr eilig die Straße heraufgelaufen kam.
»Wer da?« frug der auf dem Verhaue stehende Posten.
»Tschemba!«
Es war also jener Zigeuner, welcher mit Horgy und dem Bergwirthe damals die beiden Irrenärzte gefangen genommen hatte.
»Unser Späher, Herr Major,« berichtete der Posten.
Tschemba stieg über das Verhau und erblickte die Artillerie.
»Ah, gut, daß die Kanonen da sind. Sie kommen.«
»Wer?« frug Wallroth.
»Die Süderländer.«
»Viel?«
»Ein ganzes Heer, so breit wie es die Straße erlaubt. Sie haben jedenfalls Pascher von drüben als Führer bei sich.«
»Wie nahe sind sie?«
»In zehn Minuten füllen sie unten das Thal.«
»Freiwillige Schützen vor?«
Auf diesen Ruf kamen wohl fünfzig Pascher herbei.
»Hört, Männer, ich muß eine Anzahl von Euch unter der Führung des Herrn Hauptmanns vorschicken, denn ich darf keine Feindseligkeiten beginnen, ehe ich nicht das Recht dazu habe. Wer geht mit?«
»Wir Alle!« rief es.
»Brav! Macht Eure Sache gut. Vorwärts!«
Sie rückten ab, der Hauptmann an ihrer Spitze. Er hatte Degen, Waffenrock und Helm abgelegt und sich den Hut und die Joppe sammt dem Stutzen eines Paschers geborgt. Er ging so weit vor, bis der Paß eine scharfe Krümmung machte, und dieser Punkt schien ihm für sein Vorhaben der geeignetste zu sein, zumal der wirklich scharfsinnige Bergwirth ungefähr fünfzig Schritte unter demselben eine der größten Tannen quer über den Weg hatte fällen lassen.
Von hier aus sah man im Mondscheine bereits die Helme der Anrückenden blinken, und der leicht zu vernehmende Hufschlag verrieth, daß Kavallerie an der Spitze sei.
»Bleibt hier und haltet Euch schußbereit!« gebot er; dann schritt er weiter, bis er die Tanne erreichte.
Hinter derselben versteckt erkannte er bald mehrere Offiziere, welche, von zwei Männern geführt, voranritten.
»Halt!« rief er, als sie ihm nahe genug schienen. »Wer da?«
Man hielt und schien sich kurz zu berathen. Dann ertönte es:
»Gut Freund! Wer bist Du?«
»Ein guter Norländer. Seit wann rückt man in ein fremdes Gebiet ohne vorherige Verhandlung und Kriegserklärung ein?«
»Kecker Bursche! Mache Dich fort, sonst wirst Du weggeputzt!«
»Ich stehe hier als Beauftragter meines Königs. Euer Vordringen ist gegen das Völkerrecht. Geht zurück, sonst könnt Ihr erfahren, wer weggeputzt wird! Das ists, was ich Euch zu sagen habe. Dieses Land, diese Straße gehört unser. Wir werden Beide zu behalten wissen. Gute Nacht!«
Er ging mit lautem langsamen Schritte zurück. Nach einiger Zeit, während welcher jedenfalls Meldung abgegangen und der betreffende Befehl zurückgekommen war, hörte man, daß die Tanne weggeräumt werden sollte.
»Könnt Ihr genug sehen?« frug der Hauptmann.
»Besser als Sie,« klang die Antwort. »Unsereiner ist die Nacht gewohnt.«
»So gebt Feuer, aber immer zehn und zehn!«
Die ersten Schüsse krachten. Drüben ertönte ein wüthiger Schrei. Dann wieder zehn und noch zehn. Als die Letzten Feuer gaben, hatten die Ersten bereits wieder geladen. Einen solchen Empfang hatte der Feind nicht erwartet; er wußte nicht, wen er vor sich hatte und beschloß, das Morgengrauen zu erwarten. Gefährlich konnte diese Zögerung nicht werden, da man nach seiner Meinung in Norland nicht kriegsbereit war und genug mit der Unterdrückung des Aufstandes zu thun hatte.
Nur eine Stunde später hellten sich bereits die Höhen auf, während das Thal noch im Dunkel lag. Der Major stand hinter einem Baume und blickte hinab. Die Nebel wirbelten und wallten unten wie eine unruhige See, und es war bereits genug Licht vorhanden, um ein sicheres Ziel zu nehmen. Er konnte die Straße unten auf eine ganze Viertelstunde ihrer Länge bestreichen. Sein Feuer mußte dem Feinde geradezu fürchterlich werden, und wer zwischen dem Thale und der Schanze war, konnte unmöglich wieder zurück. Er ließ sechs Geschütze hinunter und die übrigen zwei gegen die letzte Krümmung der Straße richten.
Da ertönte von den Vorposten her lebhaftes Gewehrfeuer. Der Hauptmann war angegriffen worden. Der Feind hatte in den Gegnern nur Gebirgsbewohner
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