Scepter und Hammer
Dann nahm er sein Pferd straffer in die Zügel, drängte es hart an den Wachtkommandanten heran, zog ein großes, mehrmals versiegeltes Schreiben aus der Satteltasche und reichte es ihm entgegen. »Herr Oberlieutenant, Sie sind Kommandant der Wache hier am Schlosse?«
Dieser Ton schien einer ganz anderen Stimme und einem ganz andern Manne anzugehören, und unwillkürlich antwortete der Gefragte: »Ja. Warum?«
»Ich bin Kurier seiner fürstlichen Durchlaucht des Prinzen Arthur von Sternburg und habe Ihnen diese Depesche zu übergeben. Ich thue dies mit der Weisung, dieselbe morgen früh nach dem Lever Seiner Majestät dem Könige eigenhändig zu präsentiren, verstehen Sie, eigenhändig, denn der Inhalt des Schriftstückes ist von solcher Wichtigkeit, daß ich Sie verantwortlich mache für jeden Zufall, welchem es gelingen sollte, dieser Zuschrift das Wesen einer Depesche zu rauben. Im Uebrigen gebe ich mir die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen!«
Er zog das Pferd empor und gab ihm die Sporen, daß es auf den Hinterbeinen eine Umdrehung machte und dann mit allen Vieren in die Höhe ging. Dabei wandte er das lächelnde Gesicht zum Prinzen: »Adieu, mein Junge; laß Dir die Arretur besser bekommen, als sie gelungen ist!«
Dann fegte er im Galoppe davon und ließ sein Thier erst dann wieder in ruhigen Schritt fallen, als er das Schloß weit hinter sich hatte.
»Prinz Hugo als Lieutenant!« murmelte er vor sich hin. »Gewiß kam er von irgend einem seiner Streiche zurück, welche er inkognito auszuführen pflegt. Er hat mich noch nie gesehen und also auch nicht erkannt. Die kleine Lehre und der etwas größere Aerger, welcher dieselbe begleiten wird, kann ihm nichts schaden. – Jetzt nun zu diesem Dichter, den ich so lange nicht gesehen habe! Für ihn muß ich ein Stündchen erübrigen, und dann geht es wieder retour!«
Er bog in eine Straße ein und hielt vor einem Hause, dessen schmaler erster Stock erleuchtet war.
»Er hat Licht, vielleicht gar Gesellschaft bei sich, da die Schatten so unruhig sich an den Gardinen bewegen.«
Nachdem er abgestiegen war, band er das Pferd an eine Ladenangel und begab sich nach der ersten Etage. Auf sein Klingeln wurde die Entreethür geöffnet, und eine ältliche Frau erschien unter derselben.
»Wer ist noch da?« frug sie.
»Ich, meine liebe Frau Goldschmidt. Ist Karl zu Hause?«
Sie leuchtete empor und erkannte ihn.
»Mein Gott, Durchlaucht! Sie hier? Haben Sie es auch schon erfahren?«
»Was?«
»Von – – oh, Sie wissen nichts? Bitte, bitte, treten Sie ein, treten Sie ein!«
Er bemerkte ihre Augen voller Thränen und sah, daß Sie sich in einer außerordentlichen Aufregung befand. Im Zimmer befanden sich mehrere Personen, auf deren Gesichtern ein tiefer Ernst ausgebreitet lag, und aus dem geöffneten Nebenraume erklangen halblaute Stimmen.
»Hier ist etwas geschehen! Was ist es?« frug er die Mutter des Freundes.
»Durchlaucht, Karl ist ermordet worden,« antwortete sie, die Hände ringend und in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrechend.
»Unmöglich! Von wem?«
»Das weiß noch Niemand.«
»Wo ist er?«
»Draußen. Kommen Sie!«
Sie führte ihn in das Nebenzimmer. Zwei Aerzte standen vor dem entkleideten Körper des Literaten.
»Was wollen Sie?« frug der Eine den Eintretenden.
»Meine Herren, mein Name ist von Sternburg, Seekapitän von Sternburg. Dieser Todte ist ein Studiengenosse von mir, und ich kam, ihn zu besuchen.«
»Ah, dann haben Sie Zutritt, Durchlaucht,« klang die höfliche Antwort. »Uebrigens ist der Verwundete nicht todt. Der Stich hat weder Herz noch Lunge verletzt, und nur der schwere Blutverlust hat eine todesähnliche Ermattung herbeigeführt.«
»Er ist nicht todt? Er lebt!« rief die Mutter. »Gott sei Dank; ich wäre ihm nachgefolgt.«
Der Arzt machte eine abwehrende Bewegung.
»Leise, leise, Frau Goldschmidt! Wir können Ihnen unmöglich ganz die Hoffnung nehmen, doch vermögen wir auch nicht zu verschweigen, daß sein Leben nur an einem Faden hängt; es kann im Augenblicke seines Erwachens auf eine Minute aufflackern und dann sofort für immer verlöschen. Wir werden hier bleiben bis er zu sich kommt, um nach den eintretenden Umständen handeln zu können. Schicken Sie alle überflüssigen Personen fort und vermeiden Sie jedes Geräusch.«
Man nahm Platz und auch der Kapitän ließ sich in der Nähe des Bettes nieder. Es verging beinahe eine Stunde, bis der Verwundete die Augen aufschlug und einen schmerzlichen Seufzer
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