Scepter und Hammer
er?«
»Nach der Residenz. Er hat mir eine höchst wichtige Depesche zu besorgen.«
»Eine höchst wichtige? So hast Du wohl ein recht gutes Vertrauen zu ihm, Papa?«
»Allerdings. Du hast jedenfalls meine gestrige Ueberraschung bei seinem Anblicke bemerkt. Es war mir, als sei mein liebster, bester Jugendfreund herbeigekommen, um mich zu begrüßen, ganz er, jeder Zug des Gesichtes, die Haltung, die Stimme, der treue, verständige Blick des Auges, und trotzdem er es unmöglich sein kann, da dieser Freund in meinem Alter steht, und trotzdem er einen mir vollständig fremden Namen führt, kann ich mich nicht von dem Gedanken, von der Ahnung trennen, daß mein Irrthum nicht ganz und gar ein vollständiger sei. So oft ich mit ihm spreche, möchte ich ihn nicht Willmers sondern Brandauer nennen.«
»Weißt Du, Papa, daß es mir auch recht eigenthümlich mit diesem Matrosen geht?«
»Wie so?«
»Papa das kann ich Dir nicht sagen! Du bist mein Vater, und was Du thust und sprichst, das ist, als hätte es Gott gethan und gesprochen. Wie andere Männer sind, das weiß ich nicht, aber – aber, wenn jetzt ein Sturm hereinbräche, daß die Wogen über unserer kleinen Yacht zusammenschäumten, und dieser Willmers spräche zu mir: ›Komm, ich gehe mit Dir in das Wasser und bringe Dich an das Land,‹ ich würde ihm folgen und darauf schwören, daß er es vollbringt.«
Das scharfe Auge des Pascha blickte hinaus in das Weite; es war seinem adlerartigen Blicke nicht anzusehen, was er über die Worte der Tochter dachte. Diese hatte den prachtvollen Arm, welcher berückend unter dem leichten, seidenen Gewebe hervorschimmerte, auf die Balustrade gelegt und beobachtete das Treiben in der Nähe.
»Papa, schau den Reiter da unten!« rief sie plötzlich. »Ist ein solcher Galopp nicht fürchterlich?«
»Allerdings gefährlich, höchst gefährlich bei solchem Terrain. Der Mensch muß beim leisesten Fehltritte des Pferdes den Hals brechen. Ich wette, es ist einer jener jungen, unvorsichtigen Kavallerieoffiziere, denen der Ruhm, ein kühner Reiter zu sein, höher gilt, als die Herzensrufe des Vaters und der Mutter!«
»Er lenkt nach der Höhe ein –«
»Und zwar auf dem Wege, welcher nach Schloß Sternburg führt. Wer mag es sein?«
Er erhob sich und blickte stärker hinab.
»Willmers!« rief er dann, ebenso überrascht wie zornig.
»Willmers, Papa? Das ist doch nicht möglich! Ein Matrose kann doch auf keinen Fall ein solcher Reiter sein!«
»Er ist es aber doch. Es scheint, als sei an diesem einfachen Manne Alles ungewöhnlich, sogar – sein Gehorsam, seine Dienstfertigkeit. Ich glaube ihn mit meiner höchst dringlichen Depesche unterwegs nach der Hauptstadt und muß bemerken, daß es ihm beliebt, spazieren zu reiten, bevor er an die Ausführung meines Befehles denkt. Nur bin ich neugierig, von wem er sich das Pferd geborgt hat!«
»Papa, ich bitte –!«
»Was?«
»Sei nicht barsch mit ihm; er wird es nicht wieder thun! Du glaubst es gar nicht, wie Dein Blick schmerzt, wenn Du zürnst!«
»Und ihn soll er nicht schmerzen?«
»Vergieb ihm! Er kennt Dich noch nicht und wird es nicht bös gemeint haben.«
»Eine Depesche ist kein gewöhnlicher Brief, Kind. Ich muß ihn empfangen, wie er es verdient hat!«
Er erhob sich und begab sich hinab, um den Kommenden zu erwarten. Almah war nicht von seiner Seite gewichen. Hatte sie die Ahnung, daß ein einziger Strahl ihres Auges hinreichend sei, alle schmerzenden Blitze unschädlich zu machen, welche das Auge des Vaters schleudern könnte?
Der Huftritt des Pferdes ertönte, und Arthur ritt in den Hof. Die Beiden bemerkend, nahm er den Hengst kurz auf und sprengte in zierlichem kurzem Galopp, einen Bogen schlagend, bis vor die breiten Granitstufen, auf denen sie standen, und stand dann nach einem gewandten Schwunge aus dem Sattel vor ihnen. Der Pascha blickte ihm zornig in das vom scharfen Ritte geröthete Gesicht.
»Wem gehört das Pferd?«
»Dem Prinzen von Sternburg.«
»Wer hat Dir erlaubt, es zu reiten?«
»Der Kastellan.«
»Und wer noch?«
»Niemand.«
»So! Also meiner Erlaubniß bedarf es zu einem Spazierritte, währenddessen ich Dich auf der Reise nach der Residenz vermuthe, nicht! Du bist kein gehorsamer Diener; ich kann Dich nicht gebrauchen; Du kannst gehen!«
Der Gescholtene schlug kein Auge nieder; er blickte dem Pascha ruhig in das Angesicht und antwortete: »Zu Befehl, Excellenz!«
Sich scharf auf dem Absatze herumdrehend, schritt er davon.
»Papa!«
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