Scepter und Hammer
ausstieß.
»Wasser!« klang es durch die lautlose Stille des Raumes.
Es wurde ihm gereicht.
»Emma,« hauchte es leise zwischen seinen bleichen Lippen hervor; dann fielen die schweren Lider wieder zu.
Arthur begab sich leise nach der vorderen Stube, wo die Mutter des Kranken leise weinend in einer Ecke Platz genommen hatte.
»Warum gehen Sie nicht in die Krankenstube?« frug er sie.
»Weil ich den Schmerz da nicht zurückhalten könnte. Mein Gott, wer muß der Bösewicht gewesen sein! Karl ist so gut, das wissen Sie auch, Durchlaucht; er beleidigt mit Wissen keinen Menschen, und dennoch bringt man ihn mir als Leiche nach Hause!«
»Haben Sie bereits Anzeige gemacht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil – weil ich gar nicht daran gedacht habe.«
»Wo hat man ihn gefunden?«
»Vor der Thür des Hauses, in welchem seine Braut wohnt.«
»So ist er bei ihr gewesen?«
»Jedenfalls.«
»Und man hat ihn beim Austritte überfallen – hm; das klingt mir nicht wahrscheinlich. Geben Sie die Sache ja der Polizei über, welche allerdings auch ganz von selber sehr ernstliche Notiz von dem Vorfalle nehmen wird. Ich habe leider nicht Zeit, länger zu verweilen, werde aber dafür sorgen, daß ich
au fait
bleibe über das Befinden Ihres Sohnes.«
Nach einigen Worten des Trostes und der Beruhigung verließ er die Wohnung. Als er aus der Thür des Hauses trat, bemerkte er eine weibliche Gestalt, welcher die gegenüberliegende Seite der Straße zu gewinnen suchte. Sie war vor dem Schalle seiner Schritte geflohen und hatte also Ursache, sich in der Nähe des Hauses nicht sehen zu lassen. Er eilte ihr nach und hatte sie nach einigen raschen Schritten erreicht.
»Halt, meine Dame! Warum sind Sie so eilig?«
Er erfaßte sie am Arme und blickte in ein erschrockenes, brünettes Mädchenangesicht, dessen Augen ängstlich die seinigen zu vermeiden suchten. Sie antwortete nicht.
»Nun? Darf ich um Antwort bitten, Fräulein? Warum flohen Sie vor mir?«
»Ich floh nicht vor Ihnen,« klang es leise.
»Vor wem denn?«
»Vor – vor Niemand.«
»Vor Niemand? Damit wollen Sie sagen, vor keiner bestimmten Person. Aber dennoch hatten Sie das Bestreben, nicht bemerkt zu werden. Darf ich Sie um Ihren Namen bitten?«
Sie schwieg. Er fühlte ihre Hand, die er gefaßt hatte, zwischen der seinigen zittern.
»Ich hoffe, Sie werden mir Auskunft geben, sonst fühlte ich mich in die unangenehme Lage versetzt, Sie nach einem Orte zu bringen, wo Sie zur Antwort gezwungen sind.«
»Warum?«
»Es ist an einem Freunde von mir ein Mordanfall verübt worden, und ich vermuthe nach Ihrem Verhalten, daß Sie zu dieser Thatsache auf irgend eine Weise in Beziehung stehen.«
»Lebt Karl noch?«
»Karl? Ah, Sie kennen ihn? Sie kamen, um sich Gewißheit über seinen Zustand zu holen! Ihr Name, Fräulein?«
»Emma Vollmer.«
»Mir unbekannt. Sie sind vielleicht – – –?«
»Ich – ich war die – die Geliebte Karls.«
»War? Sie sind es nicht mehr? Ah! – – – Er wurde vor Ihrer Thür gefunden?«
»Ja.«
»So war er vorher bei Ihnen?«
»Nein.«
»Aber Sie waren daheim?«
Sie schwieg. Dieser Mann frug trotz eines Inquisitionsrichters. Wer war er? Mußte sie denn überhaupt Rede stehen? Und doch hielt er sie so fest, und doch sprach er in einem solchen Tone, daß sie antworten mußte: »Nein.«
»Ah – – –!«
Er faßte sie auch am andern Arme und zog sie näher, um ihr lange und fest in das Angesicht zu blicken.
»Sie haben jetzt einen andern Geliebten?«
»Ja.«
»Was ist er?«
»Offizier.«
»Welchen Ranges?«
»Lieutenant.«
»Wie heißt er?«
»Hugo von Zarheim.«
»Zarheim? Pah, gibts nicht – findet man sogar im Gothaer nicht! Hugo – – oh – – hm – – Sie waren heut mit ihm promeniren?«
»Ja.«
»Er begleitete Sie bis zur Thür?«
»Ja.«
»Und da trat Ihnen Karl entgegen?«
Sie schwieg. Er wiederholte seine Frage dringlicher.
»Nein. Ich habe ihn heut gar nicht gesehen.«
»Ah, Fräulein, Sie mögen Andere täuschen, vielleicht sogar meinen Freund, der es jedenfalls ehrlich mit Ihnen gemeint hat, mir aber sagt der Ton Ihrer Stimme etwas ganz Anderes als Ihre Worte. Wie alt ist dieser Lieutenant Hugo?«
»Einundzwanzig.«
»Blond?«
»Ja.«
»Ein feines Schnurrbärtchen?«
»Ja.«
»Eine Narbe über die rechte Wange?«
»Ja,« antwortete sie verwundert.
»Schön; ich vermuthete den Zusammenhang, weil ich ihn zufälliger Weise traf, als er von Ihnen kam. Fräulein, Karl Goldschmidt ist
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