Schabernackel
inmitten der andern Kinder, und ihrer Mutter, die von oben herunterguckte, mit beiden Händen zuwinken. Plötzlich wurden ihre Augen jedoch wieder dunkel.
„Einen Vater kannst du aber nicht beschaffen“, sagte sie. „Und der ist noch wichtiger als der Hubschrauber.“
„Der Vater bin ich!“ rief Schabernackel. „Schau mich an! Sehe ich nicht aus wie ein waschechter Spanier?“
Da mußte Ines laut lachen. Nein, wie ein Spanier sah der kleine lustige Mann mit seiner Knollennase wirklich nicht aus. Eher wie ein Clown aus einem Zirkus.
„Du bist viel zu klein“, sagte sie, um ihn nicht zu kränken. „Mein Vater ist bestimmt größer.“
Schabernackel winkte ab.
„Ich setze mir eine große Brille auf, wie Motorradfahrer sie tragen, und dann steig ich natürlich gar nicht aus dem Hubschrauber aus, weil ich schnellstens wieder nach Spanien zurück muß. Ich gucke nur von oben runter, winke dir zu und fliege sofort weiter.“
„Oh ja“, rief Ines, „das könnte gehen!“
Und nun strahlte sie wie eine blankgeputzte Fensterscheibe. Schabernackel lächelte sie an.
„Verrate mir nun schnell, wo deine Mutter wohnt“, sagte er, „damit ich hinfliegen und sie holen kann. Ob sie heute abend wohl zu Hause ist?“
„Bestimmt!“ rief Ines. „Sie geht selten aus. Du mußt nur vor neun Uhr ankommen, weil sie sich gern früh schlafen legt.“
„Das läßt sich einrichten“, sagte Schabernackel, „wenn der Weg nicht zu weit ist?“
„Nein, höchstens hundertzwanzig Kilometer“, sagte Ines und nannte ihm die Adresse.
Da bestieg Schabernackel seine Wolke und flog los.
Ines aber lief glücklich ins Heim hinunter.
Am nächsten Tag herrschte großer Jubel unter den Mädchen. Alle freuten sich auf ihre Eltern. Schon bald nach dem Mittagessen kamen die ersten Väter und Mütter angefahren. Sie fuhren große Autos und kleine, neue und alte, und zweifellos besaßen die Väter von Inge, Erika und Heike die schönsten. Sie benahmen sich auch danach und gaben genauso an wie ihre Töchter. Und die platzten beinah vor Hochmut und Stolz.
„Na“, wandte sich Inge an Ines, die immer noch allein am Rand des Spielplatzes stand, „ist dein Vater noch nicht hier mit seinem Luxusauto?“
Ines zuckte mit den Schultern.
„Er wußte gestern noch nicht, ob er sich freimachen kann“, sagte sie. „Er hat nämlich zur Zeit wahnsinnig viel zu tun in Spanien.“ Inge lachte höhnisch.
„Mit der Ausrede haben wir gerechnet“, rief sie. „Wer das glaubt, wird selig!“ Und sie hängte sich bei ihrem Vater ein, um Ines zu zeigen, daß sie einen besaß.
Plötzlich hörte man ein lautes Brummen in der Luft. Ein Flugzeug schien sich zu nähern. Aber als alle aufblickten, sahen sie, daß es ein Hubschrauber war, ein sehr hübscher, rot und gelb und blau.
„Oh, er ist doch gekommen!“ rief Ines. Sie winkte mit der Hand hinauf und rief: „Huhu, Vati! Komm ‘runter, du kannst hier vor dem Haus landen!“
Da sah man oben das Gesicht eines Mannes auftauchen, von einer großen Brille halb verdeckt.
„Keine Zeit, Ines!“ rief er hinab. „Ich muß sofort weiter! Außerdem habe ich wichtige Geheimsachen mit, die niemand sehen darf. Aber Mutti kommt hinunter zu dir!“
Im nächsten Augenblick wurde eine Strickleiter über Bord geworfen, und Ines’ Mutter stieg geschickt wie ein alter Flieger daran herab. Auch sie trug eine große Brille. Unten angekommen, nahm sie Ines in die Arme und gab ihr einen Kuß.
„Mit dem Auto konnte ich leider nicht kommen“, erklärte sie, „die Zeit war zu knapp, da hat Vati mich schnell mitgenommen. Ich fahr dann mit der Bahn zurück.“
Ines drückte ihre Mutter an sich. Sie war überglücklich. „Mach’s gut, Vati!“ rief sie zum Hubschrauber hinauf. „Vielen Dank, daß du Mama gebracht hast.“
„Ist schon in Ordnung, Kind!“ rief Schabernackel zurück. „Ich wünsche euch einen schönen Tag zusammen. Wenn du wieder zu Hause bist, machen wir gemeinsam Urlaub. Ich habe uns ein neues Haus am Mittelmeer gekauft, da fliegen wir hin.“
Er winkte noch einmal, flog eine Runde über dem Heim mit seinem rotgelbblauen Hubschrauber und verschwand aufsteigend zwischen weißen Schönwetterwolken.
Alle, die das miterlebt hatten, waren beeindruckt.
„Wir haben ja gar nicht gewußt, daß dein Vater einen Hubschrauber hat“, sagte ein Mädchen. „Das finde ich aber toll. Warum hast du uns denn nie etwas davon erzählt?“
„Och“, antwortete Ines und winkte ab, „das ist doch nichts
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