Schabernackel
und trug abgeschnittene Jeans und ein schwarzes Turnhemd.
Die Blonden sprachen miteinander, die Schwarze hörte zu.
„Mein Vater hat gestern seinen neuen Wagen bekommen“, sagte eine, Inge hieß sie, „einen Achtzylinder mit 300 PS. An dem geht alles automatisch. Du drückst auf einen Knopf, dann werden die Scheiben herabgelassen, du drückst auf einen andern Knopf, dann öffnet sich das Dach. Und wenn du draußen bist und auf den Wagen zugehst, springt die Tür von selbst auf. Das ist wirklich Super-Luxusklasse, kann ich euch sagen!“
„Ja, nicht übel“, stimmte die in der Mitte Sitzende zu, die Erika hieß. „Kostet sicherlich ein kleines Vermögen, was?“
„Das kannst du glauben“, sagte Inge. „Zweihunderttausend und noch was. Luxus ist eben teuer. Aber dafür hat man ja auch seine Bequemlichkeit.“
„Das sagt mein Vater auch immer!“ rief die Dritte, Heike. „Knausern darf man nicht, wenn man sich das Leben etwas angenehmer machen will. Wozu hat man denn sonst das Geld, wenn nicht zum Ausgeben!“
„Genau!“ bestätigte Erika. „Meine Mutter hat darum auch endlich unsern Zweitwagen abgestoßen. Der war schon fast zwei Jahre alt, stellt euch vor! Sie mochte gar nicht mehr zum Einkaufen damit fahren. Ich meine, er brachte immer noch gut und gern seine 190 Stundenkilometer Spitze, aber mit so einem alten Schlitten kann man sich schließlich nicht mehr unter die Leute wagen! Jetzt hat sie sich einen neuen gekauft und den alten meinem Bruder geschenkt, zum Üben, versteht ihr? Wenn der ihn kaputtfährt, ist das weiter nicht schlimm.“
„Mein Vater liebt nur schnelle Sportwagen“, nahm jetzt Heike wieder das Wort. „Schnelligkeit geht ihm über alles. Unter 230 km auf der Autobahn macht er’s nicht. Er hat drei superschnelle Flitzer in der Garage stehen und sich vor vier Wochen in Italien noch einen bestellt, einen ganz heißen Ofen! Alles handgearbeitete Extraklasse. Wenn erden inzwischen gekriegt hat, kommt er bestimmt morgen zum Besuchstag damit angebraust. Dann könnt ihr ihn mal bewundern.“
„Richtig!“ rief Inge. „Morgen ist ja Besuchstag! Oh, dann hör ich ja wieder das Allerneuste von meinen drei Hunden! Die spielen nämlich immer verrückt, wenn ich mal im Ausland oder wie jetzt im Kinderheim bin. Ich hätte sie gern mitgenommen, aber hier haben sie ja nicht die richtige Pflege, und außerdem würden sie sich unter den vielen andern Kindern bestimmt nicht wohlfühlen. Sie können es, wie alle Rassenhunde, nicht vertragen, wenn jeder an ihnen herumtätschelt. Dann kriegen sie einen richtigen Nervenzusammenbruch, so feinfühlig sind sie.“
Donnerwetter, dachte Schabernackel, der alles mitgehört hatte, die geben ja mächtig an! Ob das stimmt, was sie da erzählen? Ich weiß nicht. Aber eines weiß ich sicher, daß sie die kleine Schwarze damit ärgern und verletzen wollen. Die hat anscheinend keine reichen Eltern. Hm, mal sehen, wie es weitergeht.
Die drei Mädchen hatten nun genug geprahlt und gingen zum Großangriff über.
„Was habt ihr denn für ein Auto, Ines?“ fragte Erika und wandte sich dem schwarzen Mädchen zu. „Und warum kommen deine Eltern nie zum Besuchstag? Können sie sich die weite Reise nicht leisten?“
Die andern beiden Blonden kicherten. Ines zupfte hilflos an den Grashalmen herum.
„Ph“, sagte sie, „die können sich noch viel mehr leisten! Sie kommen nur nicht, weil es besser ist für mich. Ihr habt doch bloß Heimweh, darum sind eure Eltern immer hier. Ich hab aber kein Heimweh, ich kann sechs Wochen ohne Eltern leben.“
„Ja, weil du keine hast!“ rief Heike. „Jedenfalls keine richtigen! Meine Mutter hat mir doch erzählt, daß du ein uneheliches Spanierkind bist. Deine Mutter ist arm wie eine Kirchenmaus, und dein Vater ist irgendwo in Spanien mit einer andern verheiratet!“
„Das ist eine gemeine Lüge!“ rief Ines und kämpfte mit den Tränen. „Wenn ich wollte, könnte ich meine Eltern anrufen, dann wären sie beide morgen da, daß ihr es nur wißt!“
„Tu’s doch!“ rief Inge spöttisch. „Ich wette um 50 Mark, daß sie nicht kommen, deine Mutter nicht und dein komischer Vater sowieso nicht!“
„Und doch kommen sie!“ rief Ines. „Ihr werdet es sehen!“
„Wohl zu Fuß, was?“ höhnte Erika. „Dann sag ihnen bloß, daß sie heute schon losgehen sollen, sonst schaffen sie es nicht bis morgen!“
Sie lachten alle und freuten sich über Ines’ unglückliches Gesicht.
Pfui, sind die gemein! dachte
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